Wenn Schuldenbremsen zu wenig bremsen

 

geschrieben von -ll-

In der Europäischen Union ist es unlängst als beachtliche Errungenschaft gewürdigt worden, dass sich 25 von 27 Mitgliedländern für ihre Staatsfinanzen zur Formel einer verbindlichen Schuldenbremse verpflichtet haben. Die positive Bewertung dieses Entscheids ist nach den enormen monetären Turbulenzen der jüngsten Zeit gewiss nicht grundlos. Aber das Vertrauen in den Stabilitätswillen wird einstweilen durch das vorangegangene finanzpolitische Verhalten mancher Staaten begrenzt. Denn eigentlich hatte es ja schon seit lange eine Art Schuldenbremse gegeben, jedenfalls für die Länder mit der einheitlichen Eurowährung. Sie hatten 1997 den  Stabilitäts- und Wachstumspakt geschlossen und sich damit grundsätzlich verpflichtet, ihre jährlichen  Budgetdefizite auf jeweils 3 % des Bruttoinlandprodukts zu begrenzen  und ihre gesamte Verschuldungsquote nicht auf mehr als 60 % der gleichen Bezugsgrösse steigen zu lassen. Temporäre Ausnahmen von diesen Normen sollten nur bei besonderen Umständen, vor allem bei konjunkturellen Schwächen, erlaubt sein.

 

 

 

Der Zerfall der Eurowährung in den letzten Jahren hatte nun wohl mit globalen Finanzmarktstörungen zu tun, aber wesentlich auch damit, dass der Euroverbund seine Stabilitätsregeln vernachlässigte. Zudem nahm er Länder ohne ausreichend gefestigte öffentliche Finanzen in seinen Kreis auf. Griechenland ist das markanteste Beispiel für diesen Sachverhalt - letztlich dafür, dass bei der bisherigen Variante der Schuldenbremse die Bremswirkung weit unzureichend war.

 

Auf ihre Art und in bescheidenerem Mass kennt auch die Schweiz dieses Thema. Gewiss hat ihre einst von der FDP lancierte Schuldenbremse in mancher Hinsicht Vorbildcharakter. Sie überzeugt inhaltlich und ist formell solide verankert, hat sie doch Verfassungsrang, also eine eindeutige Grundlage im Willen von Volk und Ständen. Diese haben 2001 die eidgenössische Finanzpolitik zum Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen im Verlauf eines Konjunkturzyklus verpflichtet. Daraus resultiert auf längere Sicht auch ein realer Schuldenabbau. Aber umfassend und nachhaltig ist er noch nicht. Von einer verbindlichen Schuldeneindämmung ist nämlich der Gesamtbereich der Sozialversicherungen ausgenommen, der im Zug einer ohnehin steigenden Soziallastentendenz von Ausgaben ohne zuverlässige Deckung bedroht wird.

 

Eine einsichtige Folgerung daraus lautet, dass das so heilsame Bremsinstrument auf die Sozialversicherungen ausgedehnt werden sollte. Denn so lange diese die öffentliche Hand unmittelbar belasten, können sie andere wichtige Aufgaben des Gemeinwesens auf ungute Art  behindern. Das ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern aus den belegbaren Entwicklungstendenzen abzulesen. Zu beachten ist vor allem die nach dem Umlageverfahren finanzierte AHV. Ihr verbindlicher Rentenaufwand muss mit zunehmenden Anteilen durch Steuergelder statt durch Prämien gedeckt werden. Deshalb fordert die FDP mit Vorstössen im eidgenössischen Parlament die Einführung einer Schuldenbremse für die AHV. In der laufenden Frühlingssession wird die Forderung diskutiert. Und auch der liberale Think Tank „Avenir Suisse“ nimmt in einer neuen Studie über soziale Sicherheit den Vorschlag auf, es sei auch für die Sozialversicherungen eine verbindliche Schuldenbremse einzuführen.