Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung" – Die Wiedereinführung von Kontingenten ist ein untaugliches Rezept zur Beschränkung der Einwanderung

 

geschrieben von Gabi Huber, Nationalrätin UR

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Heute gelangen Ausländer auf drei Schienen in die Schweiz: über das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA), aus Ländern, die nicht der EU angehören, den sogenannten Drittstaaten, und aus dem Asylbereich. Für alle diese Kategorien inklusive Grenzgänger verlangt Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung" die Einführung von jährlichen Höchstzahlen und Kontingenten, um die Zuwanderung in die Schweiz zu drosseln.

 

 

 

Weil es der Schweiz gut geht, ist sie mit einer anhaltend hohen Einwanderung herausgefordert. Auf Dauer ist ein alljährliches Wachstum der Gesamtbevölkerung in der Grössenordnung einer Stadt wie Luzern nicht mehr verkraftbar. Schönreden hilft nicht. Schon die räumliche Enge unseres Landes setzt Grenzen. Auch wenn einige Probleme hausgemacht sind – wie etwa steigende Mobilität und Wohnfläche pro Person – Fakt ist, dass die Akzeptanz zur Einwanderungspolitik zusehends schwindet.

 

Diese Problematik greift die Volksinitiative auf, preist dann aber zur Lösung ein völlig untaugliches Rezept an. Zur Beschränkung der Einwanderung wird nämlich auf die Wiedereinführung der Kontingentspolitik gesetzt, obwohl gerade diese total versagt hat! Die heutigen hohen Einwanderungszahlen sind nämlich nicht neu. So hatten wir in den sechziger Jahren eine rekordhohe Einwanderung vor allem aus Südeuropa zu verzeichnen. Diese lag damals weit höher als sie es heute mit der Personenfreizügigkeit ist.

 

In den fünf Jahren von 1960 bis 1964 sind beispielsweise 973'000 Ausländer in die Schweiz eingewandert. Von 1990 bis 1994 waren es – trotz Kontingentspolitik und schlechtem Wirtschaftsverlauf – 618'000 Einwanderer. In den Jahren 2008 - 2012 unter dem Regime der Personenfreizügigkeit lag die Einwanderungszahl bei 726'000 Personen. Damit ist klar, dass die Schweiz seit Jahrzehnten eine exzessive Einwanderungspraxis pflegt.

 

Bei der Einwanderung aus Drittstaaten betreibt die Schweiz heute noch eine Kontingentspolitik für qualifizierte Fachkräfte. Diese hat ihre Ziele leider komplett verfehlt, zumal sie absolut inkonsequent angewendet wird. Bei jährlichen Kontingenten für die Rekrutierung von 3'500 Fachkräften aus Drittstaaten zeigen uns die Statistiken, dass trotz dieser Beschränkung alle Jahre rund 40'000 bis 45'000 Menschen aus diesen Drittstaaten in die Schweiz einreisen. Dabei handelt es sich vor allem um Familiennachzug und Asylsuchende, die eine definitive Aufenthaltsbewilligung erhalten, sowie Personen, die sich zwecks Ausbildung in der Schweiz aufhalten.

 

Fazit: Die Kontingentspolitik hat früher versagt und sie versagt auch heute noch bei der Steuerung der Einwanderung von Staaten, die nicht unter das FZA fallen. Mit der Forderung nach der Einführung von Kontingenten ist klar, dass die SVP-Initiative die Erwartungen nicht wird erfüllen können. Im Gegenteil, es stellen sich viele neue Fragen. Die Höhe der Kontingente ist offen. Selbst wer eine Beschränkung der Einwanderung befürwortet, weiss nicht, ob die Kontingente nicht einfach so hoch festgelegt werden, dass überhaupt keine Reduktion der Einwanderung zu erwarten ist. Zudem müsste ein enormer staatlicher Bewilligungs- und Kontrollapparat aufgebaut werden, um die Gesuche zu bewältigen. Mit Blick auf den Absender der Volksinitiative erstaunt der Ruf nach Einführung von Planwirtschaft.

 

Was können wir tun? Gefragt sind öffentliche Hand, Unternehmen und Politik. Bund und Kantone müssen die zahlreichen bereits bestehenden Möglichkeiten zur Beschränkung der Einwanderung im Asylgesetz und im Ausländergesetz endlich rigoros ausschöpfen. Auch das FZA lässt Spielraum, von dem Gebrauch zu machen ist. So ist etwa die Arbeitnehmereigenschaft und damit die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz an die Dauer des effektiven Arbeitsverhältnisses anzubinden.

 

Von den Unternehmen – angesprochen sind insbesondere auch die KMU – ist zu fordern, dass sie nicht einfach zuhauf im Ausland billige Arbeitskräfte rekrutieren, sondern vermehrt im Inland danach suchen. Die Erwerbsquote von Menschen, die bereits in der Schweiz leben, könnte merklich erhöht werden, wenn Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das Angebot an Teilzeitstellen verbessert würden. Eine Chance wäre auch die Abschaffung von Hürden für den Verbleib oder Wiedereinstieg von älteren Menschen in der Arbeitswelt.

 

Und die Politik schliesslich ist gefordert, nicht nur Gesetze für eine harte, aber faire Einwanderungspolitik zu beschliessen, sondern auch für deren Umsetzung zu sorgen. Ein Aktionsplan liegt längst vor. Es ist zu hoffen, dass sich nach einem Nein zur Volksinitiative endlich Mehrheiten dafür finden.

 

Erschienen in der Neuen Urner Zeitung vom 13. Januar 2014