Umbruch in der arabischen Welt: Aussenpolitik wird Innenpolitik

 

geschrieben von Christa Markwalder, Nationalrätin BE

In einer zunehmend vernetzten Welt kann sich die Aussenpolitik nicht mehr als eigene Domäne in der Zusammenarbeit mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen definieren. Zunehmend wird Aussenpolitik zur Innenpolitik. Die schweizerische Aussenpolitik droht in einer polarisierten Parteienlandschaft mit wiederkehrenden unheiligen Allianzen zudem für innenpolitische Zwecke instrumentalisiert zu werden.

 

 

 

 

Die Schweiz verfolgt ihre aussenpolitische Maximen nach den verfassungsmässig festgelegten Prinzipien zur Wahrung der Unabhängigkeit und der Wohlfahrt, ihrem Beitrag zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

 

Gegenwärtig erleben wir aussenpolitische Umbrüche in der arabischen Welt, die gewisse Analogien zum Zusammenbruch des Ostblocks von 1989 aufweisen. Diktatorische arabische Regimes werden unter dem Druck der Massen gestürzt, und der Ruf der Menschen nach Freiheit, Selbstbestimmung, Demokratie, Einführung der Rechtsstaatlichkeit ist unüberhörbar. Die Euphorie der neuen und fragilen Freiheit - wie sie uns beispielsweise aus Ägypten übermittelt wird - leidet unter dem Bürgerkrieg in Libyen. Die militärische Intervention der internationalen Gemeinschaft in Libyen wird sodann zum innenpolitischen Traktandum, wenn der Bundesrat in Übereinstimmung mit der langjährigen Praxis seiner Neutralitätspolitik den Alliierten erlaubt, das schweizerische Territorium zu durchqueren oder unseren Luftraum zu benutzen. Auch die Migrantinnen und Migranten aus Nordafrika, die täglich auf der Mittelmeerinsel Lampedusa eintreffen, erfordern eine Strategie der Schweiz und Europas. Die einfache Doktrin zur Zeit des kalten Kriegs „Der Feind unseres Feindes ist unser Freund“ hat heute ausgedient, und es gilt seitens der Dublin-Vertragsstaaten seriös abzuklären, ob jemand in seiner Heimat verfolgt wird.

 

Die Umbrüche in der arabischen Welt werden jedoch in der Schweiz – überschattet durch den Krieg in Libyen – weniger als Chance betrachtet, sondern vielmehr mit Blick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst als Risiko taxiert. Dabei werden seitens nationalistischer Kreise einmal mehr Ängste vor Einwanderungswellen geschürt, anstatt dass der politische Fokus darauf gerichtet wird, die nach Freiheit und Selbstverantwortung dürstenden Völker beim Aufbau einer Zivilgesellschaft und einer demokratischen Ordnung in ihrem eigenen Land zu unterstützen. Die Schweiz hat dies vor mehr als 160 Jahren erreicht. Damals war zwar noch keiner von uns geboren, aber aus der Gesichte dürfen wir dennoch lernen.