Die nächstliegende Frage betrifft die Wirkungen von Mindestlohnvorschriften auf die Beschäftigung. Dass solche Vorschriften zu höherer Arbeitslosigkeit führten, lasse sich kaum nachweisen, heisst es von Initiantenseite. Ein Gegenargument lautet, wenn der jeweilige Mindestlohn das vom Arbeitsmarkt zugelassene Niveau übersteige, drohten Stellen wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert zu werden. In dieser Sicht sei der geforderte Mindestlohn (gemessen an ausländischen Erfahrungen) deutlich zu hoch, und ohnehin sei das Stellenangebot für wenig qualifizierte Arbeitskräfte schon jetzt eher knapp als reichlich.
Sozialpartnerschaft statt staatlicher Eingriff
Man könnte aus dem Wettstreit der Meinungen folgern, es müsse doch irgendwo ein Mindestlohnniveau geben, das keine negativen Beschäftigungswirkungen erwarten lasse. Ist jedoch der Staat mit der Fähigkeit ausgestattet, dieses Niveau zu finden, und ist ihm die Kompetenz zu übertragen, uniforme Mindestlohnvorschriften für alle Branchen zu erlassen? Daran ist nachdrücklich zu zweifeln. Staatliche Zuständigkeiten für die Bekämpfung von Armut oder sonstigem Ungenügen der Lebensverhältnisse sind sozialpolitsicher, nicht arbeitsmarktpolitischer Art. Einzugreifen ist allenfalls durch Sozialhilfe, nicht durch Lohnnormen.
Die Vereinbarung von Löhnen und anderen Arbeitsbedingungen ist eine Sparte des Arbeitsvertragsrechts in der Zuständigkeit der Sozialpartner. In vielen Wirtschaftszweigen hat sich dabei das Instrument des Gesamtarbeitsvertrags verbreitet. Oft enthalten solche Verträge auch Mindestlohnelemente, die den Branchenverhältnissen angepasst sind. In der sozialpartnerschaftlichen Tradition erschiene dagegen ein staatlich verfügter, allgemeingültiger Mindestlohn als Fremdkörper – gleich wie übrigens in der Bundesverfassung. Denn ein einzelnes Arbeitsmarktelement hat schwerlich Verfassungsrang.