Einerseits wird der FDP in diesen Tagen vorgeworfen, wir würden nichts für die Klima- und Umweltpolitik tun und hätten auch keine Positionen dazu. Andererseits heisst es, die FDP vollführe nun eine «grüne Kehrtwende».
Beide Aussagen sind falsch. Wir Freisinnige haben zwar die Umwelt- und Klimapolitik in den letzten Jahren zu wenig stark bearbeitet und das Erreichte zu wenig gut kommuniziert. Aber die Positionen und Leistungen sind seit Jahren vorhanden. Nun gilt es, die Positionen noch zu schärfen und vor allem das Thema offensiver anzupacken. Dafür bietet gerade der öffentliche Diskurs eine gute Ausgangslage.
Umfassende, nachhaltige Politik statt radikale Ein-Themen-Politik
Die FDP als staatstragende Volkspartei hat den Anspruch, alle Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist, anzupacken und umsetzbare Lösungen zu präsentieren. Hierfür werden wir vom Volk gewählt. Umwelt- und Klimaschutz ist ein wichtiges Thema, aber nicht das einzige. Unsere Politik ist thematisch ausgewogen und deckt alle Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung ab. Für uns umfasst der Begriff Nachhaltigkeit nebst der Umwelt auch die Wirtschaft und die Gesellschaft. Seriöse liberale Politik muss diese verschiedenen Interessen von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft abwägen und auszubalancieren.
Mit dieser Haltung unterscheiden wir uns fundamental von den beiden grünen Parteien. Diese Ein-Themen-Parteien politisieren einseitig; für sie gibt es nur Umweltschutz. Und weil viele Umweltschutz-Anliegen schon längst umgesetzt und unbestritten sind, müssen sie immer radikalere Umwelt-Forderungen stellen. Nur, weil wir nachhaltige Politik ohne solche Extremforderungen betreiben, sind wir deshalb noch keine Umweltfrevler oder Klimaskeptiker.
Liberaler Massnahmen-Mix auch in der Umweltpolitik
Im Gegensatz zu anderen Parteien stehen für uns Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen im Zentrum. Wir erwarten, dass jeder Mensch Verantwortung für sich und sein Umfeld übernimmt, auch in Umweltbelangen. Staatliche Eingriffe sollen hingegen nur subsidiär zur Anwendung kommen. Und wenn staatlich reguliert werden muss, dann bitte sehr primär mit Anreizen und nicht vor allem mit Verboten. Wir befürworten zudem den technologischen Fortschritt und setzen auf Innovation. Freisinnige Lösungsansätze orientieren sich an diesen Maximen. Uns deswegen vorzuwerfen, wir würden keine Umwelt- und Klimapolitik machen, verkennt komplett, dass unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel führen können. Wir wollen nicht einen Umwelt- und Klimaschutz à la Grüne, sondern liberale Lösungen.
Liberale Lösungen umfassen einen klugen Mix aus Selbstverantwortung, Anreizen, Kostenwahrheit und Innovation sowie staatlichen Eingriffen und Mitteln. Apropos staatliche Mittel: Nur ein Staat mit funktionierender Wirtschaft und haushälterischer Finanzpolitik kann solche Massnahmen im Umweltbereich überhaupt finanzieren. Schliesslich gilt auch hier: Jeder Franken, der für Umweltschutz ausgegeben wird, muss zuerst verdient werden.
Erfolgreiche Umsetzung der liberalen Rezepte
Und dieser liberale Massnahmen-Mix führt zu sehr guten Resultaten. Schauen Sie nur, wie sich die Luft- und Wasserqualität verbessert haben, wie der CO2-Ausstoss bei Gebäuden, der Industrie oder in der Landwirtschaft deutlich zurückging, wie die Verbrennungsmotoren immer energieeffizienter werden, wie hoch die Recycling-Quote bei Papier, Metall und PET ist. Und all das wurde erreicht, obwohl die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen ist und der Wohlstand gestiegen ist. Das beweist: Klima- und Umweltschutz muss nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen. Radikale Massnahmen nehmen aber genau das in Kauf.
Sinnvolle Kompromisse statt Radikalismus
Die FDP steht klar hinter den Zielen des Paris-Abkommens und ist auch gewillt, diese Ziele zu erreichen. Dabei gilt es, auch hier die Balance zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu halten. . Eine radikale Änderung, wie sie die SP („Systemwechsel“) oder die grünen Parteien („Deinvest“, „Verbot von Motoren“) vorschlagen, bringen genau diese Balance aber nicht hin. Nur nachhaltige liberale Lösungen können das. Aus diesem Grund hat die FDP-Bundeshaushausfraktion beispielsweisezurecht das von grüner Seite geforderte Verbot der Verbrennungsmotoren ab 2025 abgelehnt. Eine staatsquotenneutrale CO2-Abgabe – vollständig an die Bevölkerung zurückverteilt – ist das viel effizientere Mittel.
Hans-Jakob Boesch ist Präsident der FDP.Die Liberalen Kanton Zürich. Dieser Blogbeitrag ist eine gekürzte Fassung seines Textes: http://hansjakob-boesch.fdp-zh.ch/blog-pool/ein-liberaler-blick-auf-die-aktuelle-umwelt-und-klimadebatte?id=16270