Nein zur sog. "Steuergerechtigkeitsinitiative"

 

von Pierre Triponez, Nationalrat BE

Der gelebte Föderalismus ist ein Wesenselement der Willensnation Schweiz und eine der wertvollsten Trumpfkarten unseres Staatswesens. Dies gilt gerade auch im Bereich der Fiskalpolitik, indem alle drei Staatsebenen - der Bund, die Kantone und die Gemeinden - ihre eigene Steuerhoheit im Rahmen ihrer spezifischen Aufgaben innehaben. Zu dieser Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden und zum sich daraus ergebenden Steuerwettbewerb, der sich in jeder Beziehung bewährt hat, muss Sorge getragen werden.

 

 

 

 

Mit dem in der Verfassung verankerten Finanzausgleich und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen steht ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, um die notwendigen Schranken dieses gesunden Wettbewerbs zu garantieren. Die Harmonisierungskompetenz des Bundes umfasst im Wesentlichen die Bereiche der Steuerpflicht, der zeitlichen Bemessung und des Verfahrensrechts (formelle Harmonisierung) – die Steuertarife hingegen unterstehen ausschliesslich der kantonalen Hoheit.

 

Diesen fundamentalen Grundsatz will die Volksinitiative, über welche Volk und Stände am 28. November abstimmen, durchbrechen, indem sie den Kantonen einen Mindesttarif von 22 Porzent des Einkommens bzw. fünf Promille des Vermögens aufzwingen möchte. Dies gilt einzig für alleinstehende Personen mit einem steuerbaren Einkommen von mehr als 250'000 Franken und für Personen mit einem Vermögen von über 2 Millionen.

 

Die Initianten haben also in erster Linie die überdurchschnittlich gutverdienenden und vermögenden Steuerpflichtigen im Visier. In Wirklichkeit würde aber dieses Volksbegehren je nach der gesetzlichen Umsetzung der Verfassungsnorm auch mittlere Einkommen treffen. Eine Umsetzung der Initiative könnte mittelfristig sogar zu Steuererhöhungen für alle führen.

Mehr als die Hälfte der Kantone müssten jedenfalls ihre Steuergesetzgebung anpassen. Eine Annahme der Initiative würde letztlich der ganzen Schweiz schaden und unser Land würde seine Standortattraktivität einbüssen.

 

Es ist deshalb folgerichtig, dass der Bundesrat und die Parlamentsmehrheit diese Volksinitiative zur Ablehnung empfehlen. Nein zur Steuerinitiative am 28. November.