Nachhaltige Entwicklung ist das eigentliche Kennwort des 21. Jahrhunderts. Schon vor 2000 Jahren konstatierte Seneca: «Est modus in rebus» (Es gibt ein Mass in allen Dingen). Ist das nicht dasselbe? Aber natürlich ist es das. Die Schwierigkeit liegt darin, zu wissen, wo das Mass liegt und wer darüber entscheidet. Die Kostenentwicklung in unserem Gesundheitssystem ist nicht nachhaltig: Das belegen auch die Berichte zum schweizerischen Gesundheitswesen, die 2006 und 2011 von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) und der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) herausgegeben wurden. Aber tun wir einmal so, als wüssten wir das nicht. Jeder Wunsch ist ein Bedürfnis, das befriedigt werden will, und dafür müssen alle solidarisch einstehen. Und zwar muss diese Solidarität grenzenlos sein, denn sonst entbrennt die Diskussion über die Zwei-Klassen-Medizin. Aber da die Menschen seit Anbeginn der Zeit von Unsterblichkeit träumen und die Medizin uns glauben lässt, dass «mehr Leistungen = bessere Gesundheit = längeres Leben» bedeute, hat Niemand ein wirkliches Interesse daran, die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen einzuschränken. Leistungen, die immer stärker darauf ausgelegt sind, das Wohlbefinden derer zu verbessern, denen es schon gut geht (Human Enhancement). Denn das Bessere ist schliesslich der Feind des Guten!
In einem solchen kulturellen Kontext ist es schwierig, organisatorische Systemänderungen vorzuschlagen. Zu Beginn dieses Jahres ist die Reform der neuen Spitalfinanzierung in Kraft getreten: ein kleines Wunder! Vor kurzem entschied das Volk über das Managed-Care-Prinzip, das die ambulante Medizin rationalisieren sollte. Dieses wurde von allen Seiten angegriffen. «Hände weg», schrien die Gegner, «alles soll so bleiben, wie es ist!» Das System gerät ausser Rand und Band? Macht nichts, auf jeden Fall nicht heute. Und morgen ist ein neuer Tag, da werden wir sehen!
Die Welt hat sich gewandelt, durch das Internet haben wir Raum und Zeit ausser Kraft gesetzt, aber die Organisation des Gesundheitssystems hält allen Optimierungsversuchen stand. Warum? Weil der Bauch über den Kopf siegt? Weil Populismus „in“ ist? Was ist Gesundheit eigentlich und welche Zielsetzungen verfolgt das Gesundheitssystem? Nur wenn wir mit solchen schwierigen Fragen umgehen können, bleibt unser Gesundheitssystem nachhaltig. Wir FDP. Liberalen übernehmen unsere Verantwortung, auch wenn wir in der Minderheit sind. Aus Liebe zur Schweiz!