Energiepolitik ohne Kernkraft?

 

 

 

Die energiepolitische Diskussion krankt an Dogmen. Es liege, so hört man, an der Gegenwartsgesellschaft, den Energiebedarf einzuschränken und, soweit er unausweichlich sei, möglichst aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dann werde man die Umweltlasten los. In ihrer Schematik ist diese Aussage wenig originell, zwar nicht völlig grundlos, aber auch nicht gleich operabel. Sie übersieht zumindest die belegte Erfahrung, dass fast überall der Energieverbrauch über die Konjunkturschwankungen hinweg zunimmt. Darin liegt ein Zivilisationsmerkmal. Wohlstand wird mitbestimmt durch die Verfügbarkeit von Energie, nicht zuletzt von elektrischem Strom.

 

 

 

Von besonders plakativer Art ist vielerorts das Feindbild der Kernenergie. Unter deren pauschalen Gegnern findet man mancherlei ökologische Aktivisten. Dies ist eigentlich merkwürdig, da Atomstrom ja nahezu ohne CO2-Belastungen entsteht und genutzt werden kann und da Kernkraftwerke die Landschaft nur sehr punktuell beeinträchtigen. Ihre Ablehnung hat sich jedoch weitherum verselbständigt, eben dogmatisiert.

 

Allerdings sind auch Gegenbewegungen zu beobachten. Während man in Deutschland noch um die wünschbare Betriebsdauer bestehender Anlagen streitet, hat in diesem Frühsommer der Beschluss des schwedischen Parlaments überrascht, das frühere Bauverbot für neue Kernkraftwerke aufzuheben. Auch anderwärts gibt es neue Bau- oder Ausbauvorhaben. Bisweilen ist geradezu von einer Renaissance der Atomenergie die Rede. Das Ihre tragen dazu Aussichten auf technische Nutzungserweiterungen etwa durch die zusätzliche Erzeugung von direkt nutzbarer Wärme bei.

 

Für die Schweiz führen ruhige Analysen zum Schluss, dass die Stromversorgung auf mittlere Sicht nicht ohne erneuerte nukleare Produktionskapazitäten gewährleistet werden kann. Die verbleibenden Wasserkraftreserven sind deutlich beschränkt, die Netzwerkkapazitäten stossen an Grenzen, und die Deckung von (winterlichen) Versorgungslücken durch Importe aus Frankreich ist wegen auslaufender Bezugsrechte Partnern gefährdet. Daraus ergibt sich die Forderung, den Ersatzbau von mindestens zwei grossen Kernkraftwerken zügig zu planen.

 

Diese Forderung ist zwar nicht unangefochten, wird aber gestützt durch wachsende Bedenken gegen neue erneuerbare Energien. Von Skepsis betroffen sind aus landschaftsschützerischen und anderen ökologischen Gründen namentlich Windkraftanlagen, aber auch die populär werdenden Kleinwasserkraftwerke. Ihre subventionsartige Begünstigung (durch die „kostendeckende Einspeisevergütung“) führt überdies zu ordnungs- und finanzpolitischen Bedenken.

 

Gewiss wird das Postulat einer grösstmöglichen Diversifizierung der Energiequellen kaum bestritten. Es ist aber am realistischen Sachverhalt zu messen, dass sich die Versorgung auch mittelfristig zur Hauptsache auf den traditionellen schweizerischen „Strommix“ aus Wasserkraft und Kernkraft zu stützen hat.

 

-ll-