Der Aufstieg Chinas schreitet voran. Es war zunächst die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die das Interesse von Schweizer Unternehmen am «Reich der Mitte» geweckt hat. Tatsächlich ist China ein interessanter Absatzmarkt sowie Produktions- und Innovationsstandort mit grossem Wachstumspotenzial für die Schweizer Wirtschaft. China ist nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner unseres Landes. Zudem wächst die Bedeutung chinesischer Reisende für den Schweizer Tourismus stetig. Auf der anderen Seite fordert China die freien Demokratien des Westens mit seinem autoritären System und seiner Gesellschaftsvision heraus. China präsentiert sich der Welt gekonnt als erfolgreiches Gegenmodell zu den westlichen Industrienationen mit ihren liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen. Entgegen der anfänglichen Hoffnung hat die wirtschaftliche Öffnung Chinas nicht zu einer Demokratisierung geführt. Die Beschäftigung mit China darf deshalb nicht auf die wirtschaftlichen Aspekte verengt werden. Nur eine integrale Sicht und eine permanente Reflexion führen letztlich zu einer produktiven Ausgestaltung des Verhältnisses zu China. Dabei sind gerade auch politische Fragen, insbesondere Menschenrechtsfragen, offen zu adressieren. Mit diesem Papier präsentiert FDP.Die Liberalen Empfehlungen im Umgang mit China getreu dem Motto «selbstbewusste Offenheit mit klaren Grenzen».

Verabschiedet am 01.02.2021 durch den Parteivorstand der FDP.Die Liberalen


Kernbotschaften

1. Die Schweiz vertritt ihre Prinzipien, namentlich Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, Föderalismus und Marktwirtschaft, gegenüber China selbstbewusst. Unsere Werte sind unsere Stärke.

2. Zusammenarbeit, Handel und Dialog sind fruchtbarer als Abschottung und Sanktion. Die Schweiz kooperiert deshalb auch in Zukunft in verschiedenen Bereichen mit China, frei von Naivität und mit wachsamen Augen. Sie wägt dabei stets Chancen und Risiken ab.

3. Die Schweiz stärkt das Schweiz bezogene China-Wissen indem sie Vernetzung, Austausch und Koordination zwischen den Schweizer China-Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft ermöglicht.


1. Ausgangslage

Als eines der ersten westlichen Länder hat die Schweiz die Volksrepublik China 1950 als souveränen Staat anerkannt. Die frühe Anerkennung, die FDP-Bundesrat Petitpierre zuzuschreiben ist, hat grossen symbolischen Wert für die Beziehungen zwischen den zwei ungleichen Ländern und war auch beim Abschluss des Freihandelsabkommens ein Faktor. Unter der derzeitigen Führung ist das Auftreten Chinas auf der Weltbühne jedoch weniger von diplomatischen Sentimentalitäten gegenüber einem freundschaftlich verbundenen Staat, sondern von machtpolitischem Kalkül geleitet. Nichtsdestotrotz sind die 70-jährigen Beziehungen ein gutes Fundament für eine konstruktiv-kritische Zusammenarbeit.

Die Volksrepublik China ist längst zur zweitwichtigsten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen (bei immer noch sehr tiefem Pro-Kopf-Einkommen) und transformiert sich gerade von der «Werkbank der Welt» zu einer technologischen Supermacht. Der um Shenzhen und das Pearl River Delta entstandene Forschungscluster beispielsweise ist in Bereichen wie Robotik oder künstliche Intelligenz ein Innovationstreiber. Es stellt sich allerdings die Frage wieviel dieser Innovation selbstentwickelt ist und wieviel aus transferiertem Knowhow stammt. China ist für die Weltwirtschaft heute ein bedeutender Absatzmarkt, Produktionsstandort, Lieferant von Rohwaren und ein Innovator. Kurz: China ist ein wichtiger Pfeiler der globalen Wertschöpfungsketten.

Hingegen hat sich die Hoffnung, dass die wirtschaftliche Öffnung mit einer Demokratisierung einhergehe, nicht verwirklicht. Die Lage ist ambivalent: Einerseits hat die positive wirtschaftliche Entwicklung Millionen Chinesinnen und Chinesen aus der Armut befreit, u.a. auch mit den Investitionen des Westens. Andererseits wurden individuelle Freiheitsrechte in den letzten Jahren zunehmend eingeschränkt und die Menschenrechtslage ist schlecht. Dabei präsentiert sich China mit Verweis auf die wirtschaftlichen Erfolge der Welt systematisch als erfolgreiches Gegenmodell zu den liberalen Demokratien.

Zudem wachsen mit dem wirtschaftlichen Selbstbewusstsein die aussenpolitischen Ambitionen Pekings. Unterstrichen wird der chinesische Führungsanspruch etwa durch die Belt-and-Road-Initiative (BRI), die die chinesische Einflusssphäre via wirtschaftliche Kooperation über Zentralasien bis Europa und Afrika ausdehnt. Hierin zeigt sich ein Wesensmerkmal der chinesischen Politik, die strategische Ziele stets top-down und sphärenübergreifend organisiert. Eine Trennung von Politik und Wirtschaft kennt China nicht, ebenso wenig wie eine klare Trennung von Staat und regierender Partei. Peking betreibt Politik aus einem Guss. Das strategische Vorgehen Pekings zeigt sich aktuell auch im Zurückdrängen marktwirtschaftlicher Reformen zugunsten einer verstärkten Planwirtschaft mit Verstaatlichungen.

Nachfolgend formuliert FDP.Die Liberalen Empfehlungen für eine produktive Chinapolitik. Das Papier stellt eine momentane Auslegeordnung dar. Es ist unter folgenden Leitlinien zu lesen: (1) Die traditionell guten bilateralen Beziehungen zu China entbinden die Schweiz nicht von einer konstanten Auseinandersetzung mit einem Land, das uns entgegengesetzte Wertvorstellungen zum Massstab hat. (2) Die Beschäftigung mit China bietet der Schweiz die Gelegenheit, sich ihrer eigenen Stärken zu vergewissern. Das Erfolgsmodell Schweiz beruht auf den Faktoren Demokratie, Rechtstaatlichkeit, liberaler Wettbewerb, liberale Gesellschaftsordnung und Föderalismus. (3) Eine liberale Chinapolitik besteht nicht im Sanktionieren des Gegenübers, sondern in der produktiven Ausgestaltung der Zusammenarbeit unter dem Motto «Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit, Konkurrenz, Kooperation und Abgrenzung». (4) Asienpolitik ist nicht allein Chinapolitik, die Schweiz ist gut beraten die neuen Chancen in Asien rechtzeitig zu erkennen und Ressourcen und Engagements auszubalancieren.


2. Rolle der Schweiz gegenüber einer Grossmacht

Die Schweiz und China könnten ungleicher nicht sein. China zählt mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern rund 170-mal mehr Einwohner als die Schweiz. Trotz der positiven wirtschaftlichen Entwicklung hat sich das Land politisch nicht in Richtung demokratischer Öffnung bewegt. Die KP regiert das Land autoritär, die Menschenrechtslage und die Situation von Minderheiten sind prekär. Peking hintertreibt die universelle Idee der Menschenrechte auf der internationalen Ebene gezielt: Konzepte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gelten als Teil eines westlichen Wertesystems. Mit politischen Interventionen und Propaganda («Soft power») versucht Peking auf multinationaler Ebene seiner Sicht der Dinge (z.B. mit einem eigenen Narrativ der Menschenrechte) Geltung zu verschaffen. Derweil verschärfen sich die Spannungen zwischen Ost und West. Die Welt steuert auf eine multipolare Ordnung mit den zwei Machtpolen China und USA sowie Europa als dritter Pol dazwischen zu. Eine Entkoppelung der Systeme findet statt.

  • Beziehungen zu China pflegen: Eingedenk der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung Chinas ist die Pflege der diplomatischen Beziehungen wichtig. Die Schweiz hat seit 1950 viel in die diplomatischen Beziehungen investiert. Dieses politische Kapital gilt es konstruktiv-kritisch zu nutzen.
  • Positionierung zwischen den Machtpolen: Die Vorstellung einer «einzigartigen Kooperation» mit China hat sich überlebt. Die Entwicklungen zwischen den Grossmächten USA und China werfen ihre Schatten auf die Schweizer Chinapolitik. In einer multipolaren Welt sucht die Schweiz unter Wahrung ihrer Souveränität den Dialog mit ihren europäischen Verbündeten, mit denen sie die gleichen demokratischen, rechtstaatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Werte verbindet. Soweit die beidseitigen Interessen der Schweiz bzw. der EU es gebieten, koordiniert die Schweiz ihre China-Politik mit derjenigen der EU. Sie verfolgt aber grundsätzlich eine von der EU unabhängige und eigenständige China-Politik, da sie nur so die Vorteile ihrer Neutralität ausspielen und ihre klassische Rolle als Brückenbauerin einnehmen kann.
  • Die eigenen Prinzipien hochhalten: Die Schweiz braucht sich nicht vor dem von Peking befeuerten System- und Wertewettbewerb zu verstecken. Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Föderalismus und eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sind die zentralen Pfeiler des Erfolgsmodells Schweiz. Unsere freiheitlichen Prinzipien sind unsere Stärke.  
  • Menschen- und Minderheitenrechte selbstbewusst vertreten: Gemessen an den völkerrechtlichen Verpflichtungen ist die Menschenrechtslage in China inakzeptabel. Trotz der beschränkten Möglichkeiten der Schweiz, um China zur besseren Achtung der Menschenrechte zu bewegen, muss sie ihr politisches Ansehen in China in die Waagschale werfen. Die Schweiz muss ihre Werte gegenüber Peking dezidiert und selbstbewusst vertreten, dazu zählt die Respektierung eines regelbasierten internationalen Wertesystems und die Universalität der Menschenrechte. Der kritische Dialog ist auf allen Ebenen zu fördern, auch auf der Ebene der Städtepartnerschaften.
  • Keine Selbstzensur: China versucht zusehends andere Staaten, Medien, Organisationen, Institutionen und chinesische Bürger im Ausland zu beeinflussen und chinesische Wertvorstellungen, die nicht im Einklang mit westlichen Leitprinzipien sind, zu befördern. Die chinesische «Soft Power» ist namentlich dann gefährlich, wenn sie zu Selbstzensur im Westen führt. Dieser Tendenz ist entschieden entgegenzuhalten. Schweizer Institutionen dürfen kritische Themen wie Menschenrechte, der Umgang mit Minderheiten oder die Aushöhlung des Rechtsstaates (z.B. das Nationale Sicherheitsgesetz in Hong Kong) etc. nicht aussparen. Dem integralen Machtanspruch Chinas auf weltweite Deutungshoheit ist entgegenzutreten.
  • Akteure vernetzten und Aktivitäten koordinieren: Es braucht mehr China spezifisches Wissen und eine verstärkte Koordination aller China-Aktivitäten. Es braucht eine Plattform, wo ein regelmässiger und institutionalisierter Austausch unter Einbezug von Politik (Bund, Kantone, Gemeinden), Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft stattfinden kann. Anzudenken wäre auch eine Art Anlaufstelle für einen niederschwelligen Austausch über «best pracitces» für die diversen Akteure, etwa auch für KMU. Im Umgang mit China hilft keine Ideologie, sondern ständig aktualisierte und koordinierte, pragmatische Haltung der Schweizer Akteure. Der neue aussenpolitische Ansatz des Bundesrates mittels geographischer und thematischer Strategien mehr Kohärenz in der Aussenpolitik zu schaffen, unterstützen wir entsprechend explizit.
  • Vorsichtig sein und Sicherheitsvorkehrungen treffen: China betreibt systematisch wirtschaftliche Spionage und eignet sich Technologien an. Schweizer Firmen sind gut beraten, sich vor chinesischen Eingriffen in Acht zu nehmen. Dasselbe gilt für Universitäten und gemeinsame Forschungsvorhaben. Bestehende Angebote seitens des Bundes (wie z.B. die Präventions- und Sensibilisierungsaktion «Prophylax» des NDB sind bekanntzumachen. Ein institutionalisierter Austausch ist auch im Bereich Sicherheit unabdingbar, namentlich wenn es um den Austausch von Erfahrungen und «best practices» im Umgang mit China geht.

3. Handelspolitik und wirtschaftlicher Austausch

Die Konjunkturentwicklung Chinas ist ein wichtiger Motor für die Weltwirtschaft. Schweizer Unternehmen profitieren vom Handel mit dem Reich der Mitte. China ist Absatzmarkt, Produktionsstandort, Lieferant von Rohwaren und Innovationstreiber und damit ein zentrales Scharnier in den globalen Wertschöpfungsketten. Ein wichtiges Fundament der wirtschaftlichen Kooperation bildet das 2013 abgeschlossene Freihandelsabkommen (FHA). Bei allen Chancen für die Weltwirtschaft wird die dirigistisch geführte Industriepolitik Chinas im Westen zurecht auch mit Sorge betrachtet. Für Unbehagen sorgen etwa Marktverzerrungen, steigende Direktinvestitionen Chinas, unlautere Handelspraktiken oder Diskriminierungen beim Zugang zum chinesischen Markt. Der lasche Umgang mit geistigem Eigentum oder die Angst vor Technologietransfers von West nach Ost sind nicht unbegründet.

  • Marktwirtschaft, Reziprozität und Freihandel verteidigen: Die Schweiz ist eine offene Marktwirtschaft, die mit der Welt Handel treibt. Das FHA verbessert den Zugang zu China und bringt beiden Seiten Vorteile. In der Umsetzung gibt es aber auch Probleme wie Marktverzerrungen. Peking gewährt Schweizer Firmen nicht im selben Umfang Zugang zu China wie sie dies im Gegenzug für chinesische Firmen in der Schweiz einfordert. Die Schweiz muss sich im Rahmen des bilateralen Austauschs mit China sowie auf WTO-Ebene für gleich lange Spiesse einsetzen. Des Weiteren sucht die Schweiz weiterhin den Abschluss neuer Freihandelsabkommen mit aufstrebenden Handelspartnern in Fernost und weltweit. Der Blick auf China darf den Fokus auf weitere interessante Partner nicht verstellen.
  • Freihandelsabkommen konstruktiv nutzen: Das FHA ist ein Wirtschaftsabkommen und kein politischer Hebel, um auf China einzuwirken. Die Erwartung, China mit der Sistierung des FHA zu einer demokratischen Öffnung bewegen zu können, ist illusorisch. Sowieso würde der Handelsaustausch auch ohne FHA fortbestehen, denn China ist zu stark in die globalen Wertschöpfungsketten eingebunden. Wirtschaftspolitische Sanktionen gegen China würden lediglich zu einer Wettbewerbsverschlechterung für Schweizer Firmen und zu diplomatischen Verstimmungen führen. Letzteres wiederum würde sich kontraproduktiv auf den Menschenrechtsdialog auswirken. Anstatt auf Konfrontationskurs zugehen ist das FHA konstruktiv als eine von mehreren Plattformen zu nutzen, um Markt- und Menschenrechtsfragen zu adressieren.
  • Aussenhandelspolitik koordinieren: Die Kooperation mit China ist im Gegensatz zu anderen Handelspartnern prioritär und gesondert zu betrachten, weil China politisch und wirtschaftlich aus einer Hand und top-down agiert. Schweizer Akteure stossen aufgrund der sonst erfolgreichen Trennung von Politik und Wirtschaft und des liberalen subsidiären Ansatzes in Verhandlungen mit China an Grenzen. Auf Schweizer Seite ist eine koordinierte Vorgehensweise anzustreben (siehe Kap. 2 «China-Aktivitäten koordinieren und Kohärenz schaffen»).
  • Investitionskontrollen mit Augenmass: Die FDP lehnt rigide Investitionskontrollen ab, denn ausländische Investitionen sind nicht per se eine Gefahr, sondern grundsätzlich eine Chance. Kritische Infrastrukturen sind heute schon geschützt, da sie in der Regel in öffentlichen Händen sind. Zwischen 2014 und 2017 gingen lediglich 3% der Investitionen auf das Konto chinesischer Firmen. Die FDP fordert, dass die vom Parlament geforderte Investitionskontrolle mit Augenmass umgesetzt und als Notfall-Mechanismus konzipiert wird. Schweizer Firmen sollen ihrerseits möglichst ungehinderten Zugang zum chinesischen Markt haben.
  • Achtsamkeit bei Joint Ventures erhöhen: Unternehmen müssen sich genau überlegen, welche Joint Ventures sie mit chinesischen Firmen eingehen. Nicht selten macht die chinesische Seite ein Joint Venture mit einer chinesischen Firma zur Vorbedingung für den Zutritt zum chinesischen Markt. In der Folge kommt es via Joint Venture zu einem Technologietransfer. Grundsätzlich ist jede Firma selbst verantwortlich, ob und in welcher Form sie mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten will. Schweizer Firmen müssen sich aber bewusst sein, dass im chinesischen Staatskapitalismus potenziell der Staat im Hintergrund mitredet (siehe auch Kap. 2 «Vorsichtig sein und Sicherheitsvorkehrungen treffen».
  • Diversifikation bei sicherheitsrelevanter Infrastruktur: Im Westen geht die Befürchtung um, dass sich China via Infrastrukturausrüster (z.B. Huawei) Zugang zu den westlichen Datennetzen verschaffen, diese ausspionieren oder lahmlegen könnte. Eine technische Evidenz für diese Befürchtung gibt es bisher nicht, aber auf die leichte Schulter dürfen diese Befürchtungen nicht genommen werden. Die Telekomfirmen in der Schweiz sind gut beraten, die Ausrüster mit Bedacht zu wählen und die höchsten Verschlüsselungsstandards anzuwenden. Die Situation in der Schweiz ist indes dank Diversifizierung der Ausrüster grundsätzlich gut.

4. Innovationspartnerschaft

Die Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung, Innovation bietet Chancen und Risiken. Zu den Chancen, gehören die lange Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und China, die hohen Investitionen Chinas im Bereich ERI (Education, Research, Innovation); zu den Risiken gehören u.a. die sehr unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen insbesondere im Bereich Bildung und Forschung, die fehlende Transparenz und der Schutz des geistigen Eigentums. China hat auch im Bereich ERI eine beachtliche Entwicklung hinter sich und platziert sich in der Rangliste der Länder mit dem höchsten Anteil am globalen Umfang der wissenschaftlichen Publikationen auf Platz 2 hinter den USA und führt die globale Liste der Patentanmeldungen an. Die Innovationspartnerschaft mit China, die im Jahr 2016 beschlossen wurde, ist bis heute mit wenig konkreten Projekten belebt worden. Das hängt u.a. mit den sehr unterschiedlichen Kulturen an Schweizer und chinesischen Hochschulen zusammen, aber auch mit dem zunehmenden Einfluss der Kommunistischen Partei auf die chinesischen Hochschulen. Hier entstehen gerade jetzt neue Rahmenbedingungen in China, die schon bald die akademische Zusammenarbeit beeinträchtigen könnte.

  • Prinzipien hochhalten: Die Schweiz als hochentwickelter Wissenschaftsplatz mit Hochschulen auf Weltniveau und einem sehr erfolgreichen Ökosystem im Bereich Bildung, Forschung und Innovation soll sich weiterhin an folgenden fünf Prinzipien orientieren: Exzellenz, Offenheit, Autonomie, Konkurrenz, Bottom-up-Kultur. Basierend auf diesen Prinzipien agieren Schweizer Hochschulen (ETH, Universitäten, FH, Pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen) eigenständig. Die Prinzipien der Freiheit von Lehre und Forschung in der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern sind nicht verhandelbar.
  • Zusammenarbeit in Klimabereich und Digitalisierung: In den Bereichen Forschung/Innovation ist die Schweiz führend und kann auch gegenüber China eine Position der Stärke einnehmen. Sie sucht insbesondere da die Zusammenarbeit mit China, wo sie stark ist und wo beide Seiten profitieren. Das ist etwa im Bereich Klimaschutz oder Wassermanagement und bei der Digitalisierung der Fall.
  • Koordination unter Schweizer Hochschulen mit China-Bezug stärken: Ein systematischer Austausch der Schweizer Hochschulen, die Kooperationen mit chinesischen Partnern pflegen, stärkt den Wissenschaftsplatz Schweiz und insgesamt die Position der Schweiz gegenüber China. Das angeregte Hochschulinstitut könnte auch dazu genutzt werden.
  • Rahmenbedingungen für private Innovation verbessern: Die Innovationszusammenarbeit mit China beschränkt sich nicht auf den Hochschulbereich, sondern erstreckt sich auch auf den privaten Bereich. Die Schweiz engagiert sich deshalb für gute Rahmenbedingungen im Bereich Patent- und Urheberschutz.

5. Schlussfolgerung

  • Die Entwicklungen in China sind ambivalent. Während die Entwicklungen im Wirtschaftsbereich positiv zu beurteilen sind, bilden insbesondere die politischen Entwicklungen aus westlicher Sicht Anlass zur Sorge.  
  • Diese Ambivalenz erschwert den Umgang mit China. Der Austausch mit dem Reich der Mitte bietet, je nach Feld der Zusammenarbeit, Chancen oder Risiken. Es gibt daher nicht DIE China-Strategie. Es braucht einen klugen, adaptiven und realistischen Mix von Strategien und Handlungsanleitungen für verschiedene Politik- und Zusammenarbeitsfelder. Diese können von Kooperation bis zu Abgrenzung reichen.
  • Je nach Feld müssen die Akteure auf der Schweizer Seite, stets unter Berücksichtigung der eigenen Werte, Chancen und Risiken abwägen und die Art der Zusammenarbeit (oder der nicht-Zusammenarbeit) definieren.
  • Eine verbesserte Koordination der China-Aktivitäten verschiedener Schweizer Akteure sollte helfen, stringente Strategien zu entwickeln, zu verfolgen und Wissen auszutauschen. Der Austausch unter den verschiedenen Akteuren ist zu institutionalisieren.
  • Der Fokus auf China soll nicht den Blick auf andere wichtige und aufstrebende Partner in Fernost und weltweit verstellen.

Zahlen und Fakten

  • Exporte nach China: 409 Mio. CHF (1990); 3,4 Mrd. CHF (2005); 13,4 Mrd. CHF* (2019).
  • Importe aus China: 412 Mio. CHF (1990); 3,3 Mrd. CHF (2005); 14,9 Mrd. CHF (2019).
  • Wichtigsten Exportbranchen: Pharma, Maschinen, Uhren, Textil und Medtech.
  • China ist nach der EU und den USA der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz (betrachtet man die EU-Länder gesondert, rangieren Deutschland, Frankreich und Italien noch vor China). Das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und China entspricht etwa dem Handelsvolumen mit Baden-Württemberg und Bayern zusammen.
  • 5,5% aller Schweizer Exporte gehen nach China. Aus chinesischer Sicht spielt die Schweiz eine untergeordnete Rolle als Zielland für chinesische Ausfuhren; ca. 0,4% der chinesischen Gesamtexporte gehen in die Schweiz.
  • Die Schweiz ist eine wichtige Investorin in China mit Direktinvestitionen von rund 2 Mrd. CHF pro Jahr. Mehr als 1000 Schweizer Firmen sind in China tätig und beschäftigen rund 180‘000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
  • Chinesische Touristen sind mit rund 1,2 Mio. Übernachtungen pro Jahr die viertwichtigste Gruppe in der Schweiz.

*ohne Gold und Edelmetalle

Grafik: Entwicklung der Importe und Exporte zwischen 1990 und 2019 (in Mio. CHF)