Nach den kantonalen Wahlen in Zürich und Baselland setzt sich die intensive Wahlphase in gleich vier Kantonen und drei Sprachregionen fort. In den nächsten Wochen ist die Stimmbevölkerung in Appenzell Ausserrhoden, Genf, Luzern und Tessin aufgefordert ihr Kantonsparlament und ihre Kantonsregierung neu zu wählen. Die FDP hat in allen vier Kantonen eine starke Position und verfügt über eine gute Ausgangslage, diese zu halten oder sogar auszubauen.
Weg frei für eine neue Regierungsrätin
In Appenzell Ausserrhoden war die FDP während Jahrzehnten die dominante Kraft und ist heute immer noch stärkste Partei. Bei den Regierungsratswahlen tritt die FDP mit dem Bisherigen, dem amtierenden Landammann Dölf Biasotto sowie Kantonsrätin Katrin Alder an. Sie soll den Sitz des zurückgetretenen Paul Signer verteidigen. Da keine Gegenkandidaturen vorliegen, dürfte ihr dies auch gelingen. Parteipräsidentin Monika Gessler ist überzeugt: «Katrin Alder ist ein Glücksfall für unsere Kantonalpartei. Durch ihre grosse politische Erfahrung im Kantonsrat und gemeinnützigen Organisationen, durch ihr Netzwerk und ihren beruflichen Hintergrund ist sie eine Idealbesetzung für den Regierungsrat. Sie denkt strategisch, politisch, betriebswirtschaftlich und hat ein Gespür für regionale Unterschiede.»
Im Kantonsrat möchte die FDP ihre 23 Sitze verteidigen. Weil die Parlamentswahlen ausser im Hauptort Herisau Majorzwahlen in den Gemeinden sind, stehen die Kandidierenden noch mehr mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Netzwerk im Fokus. «Als Kantonalpartei unterstützen wir die Ortsparteien bei der Kommunikation, Administration und bei Aktivitäten», erklärt Gessler. Eine weitere Besonderheit der Ausserrhoder Politik ist die grosse Anzahl Parteiunabhängiger im Kantonsrat. Die FDP pflege einen konstruktiven Dialog mit den Parteiunabhängigen, sagt Parteipräsidentin Gessler. Eine Herausforderung sei zuweilen das nicht vorhersehbare Abstimmungsverhalten aufgrund des grossen Meinungsspektrums. In der abgelaufenen Legislatur konnte die FDP wichtige Akzente setzen, so zum Beispiel beim kantonalen Energiegesetz, bei der Revision des Finanzausgleichs oder der Diskussion über die künftigen Gemeindestrukturen. Diese tragende Rolle will die FDP in Appenzell Ausserrhoden auch in der nächsten Legislatur bekleiden. Monika Gessler hat insbesondere gute wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie Investitionen in die Zukunft des Kantons im Blick: «Die FDP Appenzell Ausserrhoden will weiterhin progressive Schwerpunkte in der Energiepolitik setzen, gerade im Hinblick auf die Chancen für die Wirtschaft.»
Genfer Alleingang
Auch 358 Autobahnkilometer südwestlich ist die FDP stärkste Kraft im Kanton und will diese Position selbstredend verteidigen. «Auch wenn sich die Umstände seit 2018 verändert haben, wollen wir stärkste Partei bleiben. Die FDP hat eine solide Bilanz, ein starkes Programm und gute Kandidierende», sagt Bertrand Reich, Präsident der FDP Genf. Allerdings stehen die Genfer Freisinnigen vor einer kniffligen Aufgabe, da sie ohne Bündnispartner antreten. Bertrand Reich gibt sich dennoch zuversichtlich: «Wir haben stets Vorschläge für ein breites Bündnis gemacht. Weil es mit der Mitte keine Einigung gab, treten wir nun alleine, frei und motiviert an.» Neben der bisherigen FDP-Regierungsrätin Nathalie Fontanet will Anne Hiltpold einen zweiten FDP-Sitz erringen und dafür sorgen, dass die Genfer Regierung wieder eine bürgerliche Mehrheit erhält.
Im aktuellen Wahlkampf setzt die FDP Genf auf eine flächendeckende Präsenz ihrer Kandidierenden. Werbung auf Social Media, im öffentlichen Raum, in den Medien und persönliche Auftritte an Standaktionen und anderen Veranstaltungen. Die Botschaft dabei ist klar: Mehr Freiheit, tiefere Steuern und ein funktionierender Kanton Genf. Zudem gelte es die Erfolge der letzten Legislatur fortzusetzen, sagt Reich. Dazu zählt verschiedene FDP-Gesetzesvorlagen, die fast einstimmig verabschiedet wurden, wie zum Beispiel die erleichterte Installation von Solaranlagen. Auch die Senkung der Vermögenssteuer fand auf Bestreben der FDP eine Mehrheit. Nach hoffentlich erfolgreichen kantonalen Wahlen will Reich den Blick auf die nationalen Wahlen richten: «Unser Wahlkampf startet bereit im Juli und das Ziel ist klar: Ein Sitzgewinn von zwei auf drei im Nationalrat und einen Ständeratssitz erobern.»
Liberales Comeback in Luzern
Der Kanton Luzern erlebte vor vier Jahren einen veritablen Linksrutsch. SP, Grüne und GLP gewannen zusammen 14 Sitze und bescherten den Bürgerlichen eine herbe Niederlage. Die FDP Luzern setzt nun alles daran, diese Scharte auszuwetzen und Parteipräsidentin Jacqueline Theiler zeigt sich zuversichtlich: «Wir treten mit starken, vielseitige Listen an und freuen uns über die Zahl der Kandidierenden – mit 109 sind es so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr! Eine lediglich Korrektur reicht nicht. Es braucht eine starke liberale Kraft im Parlament, die sich sowohl für eine liberale Wirtschafts- wie auch Gesellschaftspolitik einsetzt und für den Fortschritt einsteht. Werte wie Freiheit und Eigenverantwortung sind nicht einfach gegeben. Es gilt, sie tagtäglich gegen Bevormundungs- und Abschottungspolitik zu verteidigen.» In Zahlen ausgedrückt, heisst dies, die drei verlorenen Sitze von 2019 zurückzugewinnen und zweitstärkste Kraft im Kantonsrat zu werden. Im Regierungsrat strebt der Bisherige Fabian Peter seine Wiederwahl an.
Im Wahlkampf setzt die FDP Luzern auf ein breites Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern, wie Theiler sagt: «Wir konnten viele Liberale, keine Kandidierende oder Mandatsträger, finden, die breit sind, für die FDP hinzustehen und Farbe zu bekennen. Mit unserer Kampagne zeigen wir, dass die FDP Luzern eine konstruktive vorwärts gerichtete Kraft ist, die unseren schönen Kanton mitgestalten will.» In der abgelaufenen Legislatur hat sich die FDP insbesondere für eine wirksame Energiepolitik eingesetzt. Förderung von erneuerbaren Energien durch finanzielle Anreize, vereinfachte Bewilligungsverfahren und Offenheit gegenüber neuen Technologien waren die freisinnigen Schwerpunkte für eine sichere Energieversorgung. Dabei gilt es stets auch die guten Rahmenbedingungen für Firmen im Auge zu behalten, mahnt Theiler: «Wir müssen Sorge tragen, dass unsere Unternehmen Innovativ bleiben können, was wir mit der geplanten Steuergesetzrevision angehen wollen. Diese beinhaltet im Übrigen nicht nur Abzüge für Forschung und Entwicklung, sondern auch höhere Abzüge für Fremdbetreuung. Denn Arbeit soll sich für alle lohnen. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dem Fachkräftemangel zu begegnen und für mehr Chancengleichheit zu sorgen.»
FDP Tessin hat noch nicht genug
Das Thema Energie beschäftigt auch die Politik im Tessin und die FDP setzt sich hierbei für liberale Lösungen ein. Daneben bearbeitet die FDP Tessin Themen wie die Zukunft der Volksschule, den Arbeitsmarkt, die kantonalen Finanzen und kämpft gegen die wachsende Bürokratie. Das Tessin gehört erfreulicherweise auch zu jenen Kantonen, in denen die FDP stärkste Kraft ist. Genügsamkeit ist darob bei Parteipräsident Alessandro Speziali keinesfalls zu spüren: «Freisinnige wollen sich stets verbessern. Das heisst, wir wollen im Grossen Rat mindestens einen Sitz zulegen und bei den Staatsratswahlen, die im Proporz gewählt werden, mehr Stimmen holen als vor vier Jahren.» Obwohl die FDP im kantonalen Parlament die grösste Fraktion stellt, muss sie sich stets um Mehrheiten bemühen. Da die Parteienlandschaft stark fragmentiert ist, sind die Freisinnigen auf Allianzen angewiesen, die aber oft wechseln.
Für Parteipräsident Speziali ist klar, dass der Erfolg der Tessiner FDP nicht nur auf der Arbeit im Parlament basiert, sondern hauptsächlich an der Basis erarbeitet werden muss: «Wir haben über 90 Ortsparteien, die informiert, besucht und motiviert werden müssen. Dazu führe ich viele Gespräche mit Verbänden, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger. Man darf sich auch als grosse Partei nie zurücklehnen, es braucht ständiges Engagement.» Der kantonale Wahlkampf ist im Tessin traditionell intensiv und generiert viel Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kantonen ist die Stimmbeteiligung bei den kantonalen Wahlen höher als bei den nationalen Wahlen. Die Entscheide, die die Tessinerinnen und Tessiner in den nächsten Wochen treffen, haben also grosse Signalwirkung im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Oktober.