Der russische Angriff auf die Ukraine hat unbestritten die ganze Frühlingssession überschattet und alles andere in den Hintergrund gerückt. Diese eklatante Verletzung des Völkerrechts, der Souveränität und der territorialen Integrität eines demokratischen Landes hat unseren Kontinent sowie die ganze Schweizer Politik erschüttert. Von einem Tag auf den anderen wurde das ganze Sicherheitsgefüge in Europa und die freiheitliche Nachkriegsordnung in Frage gestellt.
Die FDP hat richtigerweise sofort ihre Sorge um die Menschen in der Ukraine bekundet und die militärische Aggression der russischen Regierung sowie die andauernden Menschenrechtsverletzungen aufs Schärfste verurteilt. Das wurde unter anderem auch in den dringlichen Debatten im Nationalrat und Ständerat klargemacht, sowie wurden konkrete Vorstösse eingereicht, die unter anderem eine Aufstockung der Mittel für die Armee fordern sowie Solidarität mit Flüchtlingen, Massnahmen zur Sicherung der Schweizer Energieversorgung und ein humanitäres und diplomatisches Engagement. Zudem wurde nochmals klar beschlossen, dass die Schweiz an ihrer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat festhalten soll, wo sie zu den Bemühungen für Frieden beitragen kann.
Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative
In der Frühlingssession hat der Nationalrat über die Gletscher-Initiative und den direkten Gegenvorschlag beraten. Den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates nahm der Nationalrat mit 104 zu 67 Stimmen bei 21 Enthaltungen an. Mit 99 zu 89 Stimmen und bei 4 Enthaltungen beschloss der Rat seine Stimmempfehlung für ein Nein zur Initiative. Diese Position entspricht auch der Position der FDP in ihrer Vernehmlassungsantwort zur Gletscher-Initiative. Im Unterschied zur Volksinitiative lässt der direkte Gegenvorschlag in der Umsetzung nämlich mehr Handlungsspielraum, insbesondere für Bergregionen, und verzichtet auf Verbote.
Massentierhaltungsinitiative geht zu weit
Nach dem Nationalrat lehnte nun auch der Ständerat die Massenhaltungsinitiative ab und ist nicht auf den direkten Gegenvorschlag des Bundesrats eingetreten, womit dieser vom Tisch ist. Die Massentierhaltungsinitiative hat zum Ziel, das Tierwohl sowie Regeln für den Import von tierischen Produkten in der Verfassung aufzunehmen und Massentierhaltung zu verbieten. Die FDP nahm die Entscheide des Parlaments mit Freude zur Kenntnis, denn obwohl das Tierwohl auch für die FDP einen hohen Stellenwert einnimmt, überschiesst die Initiative das Ziel. Die heute bestehenden Rechtsgrundlagen tragen den Anliegen der Initianten bereits ausreichend Rechnung. Zudem ist die Massentierhaltung bereits heute verboten, und die Schweiz hat die weltweit strengste Regulierung der Nutztierhaltung. Eine weitergehende Regulierung würde daher den Fleischimport fördern.
Sieg der FDP in der Gentechnik
Seit 2005 kämpft die FDP als einzige Partei gegen eine Dämonisierung der Gentechnik. Jedoch konnte über all diese Jahre die fortlaufende Aktualisierung des Moratoriums durch die anderen Parteien nicht verhindert werden. Obwohl die Vorteile der modernen Gentechnik evident sind und die Wissenschaft für die Aufhebung des Moratoriums eintritt, konnten die anderen Parteien sich nicht von ihren veralteten Dogmen lösen. Immerhin konnten nun erstmals Ausnahmen eingeführt werden. Der vom Parlament beschlossene und von links-grün bekämpfte Antrag beauftragt den Bundesrat für die neuen gentechnischen Verfahren, bei denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wird, eine neue Gesetzesgrundlage zu schaffen. Das ist ein minimaler Fortschritt. Wie in der grossen Kammer unterstützte auch im Ständerat die FDP-Deputation den Kompromissantrag geschlossen.
Rigide «Lex Booking»
Der Nationalrat hat sich zur Enttäuschung der FDP für eine weitreichende Regulierung der Online-Buchungsplattformen wie Booking.com ausgesprochen. Anlass für die Verschärfung der Bestimmungen ist insbesondere der Ausbau der marktbeherrschenden Stellung der Online-Buchungsplattformen. Die FDP hat vergebens versucht die Notwendigkeit solcher Plattformen aufzuzeigen und die Vorteile für Betriebe zum Beispiel durch den Netzwerknutzen vorzubringen. Die FDP wird sich weiterhin gegen staatliche branchenspezifische Eingriffe in den Wettbewerb einsetzten und möchte insbesondere nicht durch spezifische Regulierungen in privatrechtlichen Verträgen den Marktmechanismus aushebeln. Aus Sicht der FDP sollen bei einem Verdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung die bestehenden Instrumente gegen unlauteren Wettbewerb zum Einsatz kommen. Nun ist der Ständerat am Zug, um diesen Misstritt des Nationalrats zu korrigieren.
Parlament für die nächste Krise rüsten
Der Nationalrat hat sich mit der Funktionsweise des Parlaments in Krisensituationen befasst, damit der Handlungsspielraum vorhanden ist, wenn der Bundesrat Notrecht anwendet. Dies ist demokratiepolitisch wichtig, um in Krisenzeiten ein Gegengewicht zum Bundesrat zu schaffen. Der Nationalrat regelte verschiedene Abläufe über Kommissions- und Parlamentssitzungen (Fristen, Form der Einberufung, Recht auf Sitzungen, Möglichkeit von Online-Sitzungen, Fristen für die Behandlung von Vorstössen). Der Nationalrat stimmte dem entsprechenden Vorstoss, an dem die FDP beteiligt war, fast einstimmig zu. Ebenfalls einstimmig wurde eine Motion verabschiedet, die eine gesetzliche Verankerung von Entschädigungen an Unternehmen und Personen, die an der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit leiden (z. Bsp. Schliessung), fordert. Beide Vorlagen gehen nun an den Ständerat.
Damien Cottier, Fraktionspräsident und Nationalrat NE