Sicherheit und Wohlstand

Gastbeitrag von Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Am 19. Mai 2019 stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über zwei Vorlagen ab, die mir als freisinnige Bundesrätin besonders wichtig sind: Es geht um unseren Wohlstand und um unsere Sicherheit. 

Liebe Freisinnige

Seit zehn Jahren arbeiten unsere Sicherheits- und Asylbehörden eng mit den Schengen- und Dublin-Staaten zusammen. Zu dieser Zusammenarbeit gehört auch, dass die Schweiz die Änderungen an der EU-Waffenrichtlinie umsetzt. Bei deren Aktualisierung konnte die Schweiz mitreden, danach haben Bundesrat und Parlament den Spielraum bei der Umsetzung genutzt. 

Die Teilrevision des Waffenrechts sieht verschiedene Massnahmen gegen den Missbrauch von Waffen für kriminellen Zwecke vor. Neu müssen alle wesentlichen Waffenbestandteile markiert werden. Das erleichtert es der Polizei, die Herkunft einer Waffe zu klären und den Schwarzmarkt besser zu bekämpfen. Zudem müssen die Schengen-Länder künftig melden, wenn sie jemandem aus Sicherheitsgründen eine Waffe verweigern. 

Niemand wird entwaffnet

Für Schützinnen und Schützen gibt es administrative Änderungen beim Umgang mit bestimmten halbautomatischen Waffen: ein neues Formular, ein zusätzlicher Nachweis, allenfalls eine Meldung für das kantonale Register. Für Soldaten zum Beispiel ändert sich nichts, sie können ihre Armeewaffe nach dem Militärdienst weiterhin direkt übernehmen. 
Die ursprünglichen Befürchtungen der Schützen haben sich also nicht bewahrheitet: Niemand wird entwaffnet. Anlässe wie etwa das Feldschiessen können wie bisher stattfinden. 

Die Änderungen sind auf der Linie der Schweizer Politik im Umgang mit Waffen: Sie verbessern den Schutz der Bevölkerung, ohne die Tradition des Schiesswesens anzutasten. 

Schengen/Dublin steht auf dem Spiel

Passt die Schweiz ihr Waffenrecht nicht an, steht die Zusammenarbeit mit den Schengen- und Dublin-Staaten auf dem Spiel. Die Schweiz würde vom Fahndungssystem SIS abgehängt. Für die Polizei ist das ein unabdingbares Instrument in der täglichen Arbeit, um Verbrechen und Kriminalität effizient zu bekämpfen. In den letzten zehn Jahren gab es im Schnitt jeden Tag eine Verhaftung in der Schweiz oder für die Schweiz in einem anderen Land Europas. Und die Schweiz würde für abgewiesene Asylsuchende attraktiv. Sie müsste wieder Asylgesuche von Menschen prüfen, deren Gesuch in einem europäischen Land bereits abgelehnt wurde. 

Betroffen wären aber auch andere Bereiche: Europareisende, beispielsweise aus asiatischen Ländern, würden für die Schweiz ein zusätzliches Visum brauchen. Die Gefahr besteht, dass unser Land von ihrer Reiseroute gestrichen wird. Darunter würde die Tourismusbranche leiden. Das Schengen-Visum trägt auch massgeblich zur Attraktivität des 

«Die Mitgliedschaft bei Schengen/Dublin ist nicht nur für die innere Sicherheit und das Asylwesen zentral. Auch die Wirtschaft, vor allem der Tourismus, profitiert davon, genauso wie unsere Reisefreiheit.» 

Wirtschaftsstandortes Schweiz bei: So kann zum Beispiel ein indischer Mitarbeiter eines hiesigen Unternehmens dank des Schengen-Visums ohne weiteres eine Konferenz im Nachbarland besuchen. Ohne solche Möglichkeiten könnte die Schweiz als Standort an Attraktivität verlieren. 


Eingeschränkte Reisefreiheit

Auch unsere Reisefreiheit würde ohne die Zusammenarbeit eingeschränkt: An den Grenzen zu den Nachbarstaaten würden wieder systematische Personenkontrollen eingeführt. Lange Wartezeiten und Staus im Strassenverkehr oder Verspätungen für Zugsreisende wären die Folge. Alles in allem würde ein Wegfall dieser Zusammenarbeit laut einem Bericht des Bundesrates die Schweizer Volkswirtschaft jährlich Milliarden kosten. 

Die Mitgliedschaft bei Schengen und Dublin ist also nicht nur für die innere Sicherheit unseres Landes und das Asylwesen zentral. Auch die Wirtschaft, vor allem der Tourismus, profitiert davon, genauso wie unsere Reisefreiheit. 

«Die Änderungen im Waffenrecht bringen mehr Schutz und sind für die Schützen zumutbar.»

Ein Nein am 19. Mai würde diese Mitgliedschaft nach 90 Tagen automatisch beenden. Es sei denn, die Schweiz findet in dieser kurzen Zeit mit der EU-Kommission und allen Schengen-Staaten eine Lösung. Diese Hürde ist hoch und das Risiko, dass die Schweiz ausgeschlossen wird, sehr gross. 

Für den Bundesrat ist deshalb klar: Die Änderungen im Waffenrecht bringen mehr Schutz und sind für die Schützen zumutbar. Es gibt keinen Grund, deshalb die für uns so wichtige Zusammenarbeit mit Europa aufs Spiel zu setzen. 

Arbeitsplätze und AHV sichern

Um nichts weniger als um den wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Schweiz und eine verlässliche Altersvorsorge geht es in der zweiten Vorlage. Mit dem Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) gehen wir also gleich zwei grosse Herausforderungen an. Von links bis rechts bestreitet denn auch niemand, dass in beiden Bereichen dringend Reformen notwendig sind.

Bei der Unternehmensbesteuerung besteht aus zwei Gründen Handlungsbedarf: Die Schweiz muss im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben, gerade auch um Arbeitsplätze zu sichern. Zudem stehen heute Sonderregelungen zugunsten von vorwiegend international tätigen Unternehmen nicht mehr im Einklang mit internationalen Standards. 

Eine wichtige Investition

Die Steuermassnahmen bedeuten zwar für Bund, Kantone und Gemeinden kurzfristig Mindereinnahmen. Aus der Sicht von Bundesrat und Parlament ist das aber gut investiertes Geld, denn damit sichern wir Arbeitsplätze und ganz allgemein den Wohlstand im Land. Denn mit der Zusatzfinanzierung der AHV wird auch ein sozialer Ausgleich für die steuerliche Entlastung der Unternehmen geschaffen. Der Bundesrat unterstützt diesen sozialen Ausgleich ausdrücklich. Denn damit erhält die AHV dringend benötigte Mehreinnahmen und das kommt der ganzen Bevölkerung zugute. 

«Die STAF ist wichtig für den Wohlstand in unserem Land.»

Diese ausgewogene Lösung trägt zu gesunden öffentlichen Finanzen bei, sichert attraktive Arbeitsplätze und stärkt gleichzeitig die AHV. Deshalb ist sie wichtig für den Wohlstand in unserem Land.

Beide Vorlagen, die Teilrevision des Waffenrechts sowie die Steuerreform und die AHV-Finanzierung liegen mir am Herzen, deshalb setze ich mir für sie ein. Im Namen von Bundesrat und Parlament empfehle ich Ihnen zweimal ein Ja am 19. Mai.
 

Karin Keller Sutter