Die FDP hat die Überzeugung, dass die Bundesrichterinnen und Bundesrichter die fachlichen und persön-lichen Voraussetzungen mitbringen, um ihre wichtige Rolle als Dritte Gewalt im Staate kompetent und glaubwürdig wahrnehmen zu können – und eben auch mit der geforderten Unabhängigkeit.
Darum hat die FDP-Fraktion beschlossen, heute sämtliche kandidierenden Bundesrichterinnen und Bun-desrichter für eine weitere Amtsdauer wiederzuwählen. Dies beinhaltet auch den von der eigenen Partei heftig kritisierten Bundesrichter Yves Donzallaz. Gerade die unsägliche Geschichte um ihn und die SVP zeigt, dass er das Rückgrat hat, sich gegen Kritik aus seiner Partei an seiner richterlichen Tätigkeit zur Wehr zu setzen. Er hat damit gezeigt, dass er unabhängig von parteilicher Einflussnahme Recht spre-chen kann.
Freiwilliger Partei-Proporz bei der Wahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter
Eine hohe fachliche und persönliche Eignung ist für eine Wahl ans Bundesgericht natürlich das erste und wichtigste Kriterium. Darüber hinaus ist aber der freiwillige Parteien-Proporz zentral, weil er eine reprä-sentative Vertretung von Werthaltungen und Weltanschauungen im obersten Gericht des Landes ge-währleistet. Denn selbst die trockene und abstrakte Juristerei ist in ihrer konkreten Anwendung auf Le-benssachverhalte niemals wertungsfrei – und nur eine gute «diversity», wie man es Neudeutsch auch nennen könnte, sichert längerfristig die Ausgewogenheit der Rechtsprechung und damit auch ihre Ak-zeptanz in der Bevölkerung.
Was die SVP aber offenbar nicht verstanden hat, oder nicht verstehen will: Mit der Wahl nach freiwilli-gem Proporz ist der parteiliche Bezug vorbei. Es ist absolut inakzeptabel, dass sie versuchen, einen von ihnen nominierten Richter mit Bezug auf materielle Entscheide ans politische Gängelband zu nehmen. Es gibt keine ganzen oder halben SVP-Bundesrichter – es gibt nur Bundesrichter. Die SVP hat en keinerlei Argumente vorgebracht, die eine Nichtwiederwahl von Herrn Donzallaz auch nur im Geringsten recht-fertigen würden.
Die Geschichte hat leider das Potential, alle Bundesrichterinnen und Bundesrichter unter Generalver-dacht zu stellen. Dabei gibt es keinerlei Anhaltspunkte, welche Zweifel an ihrer Unabhängigkeit in ihrem Wirken begründen würden.
SP spielt ein Doppelspiel
Die SP wiederum wollte die Wahlen verschieben und alle Kandidierenden kurzfristig ein nutzloses, weil rein formales Unabhängigkeitsbekenntnis unterzeichnen lassen. Das ist ein leicht durchschaubares und unrühmliches Doppelspiel. Einerseits empören sie sich vordergründig über die «Politisierung des Bun-desgerichtes» und der Richterwahlen durch die SVP. Andererseits kochen sie nun aber ihr eigenes politi-sches Süppchen. Mit ihrer Forderung nach dem zu unterzeichnenden Bekenntnis säen sie Zweifel an der Unabhängigkeit der heute zur Wahl vorgeschlagenen und der bereits amtierenden Mitglieder des Bun-desgerichtes. Das untergräbt deren Glaubwürdigkeit und ist verantwortungslos. Die FDP hat der Ver-schiebung aus diesen Gründen nicht zugestimmt.
Am Ende ist die vereinigte Bundesversammlung den politischen Spielen der beiden Polparteien nicht gefolgt, sondern hat die zur Wahl vorgeschlagenen Bundesrichterinnen und Bundesrichter ausnahmslos wiedergewählt. Dadurch konnten wir diesem Trauerspiel ein Ende bereiten und den Respekt vor der Unabhängigkeit der dritten Gewalt einigermassen wahren.
Dieser Text basiert auf dem Votum von Nationalrat und FDP-Fraktionspräsident Beat Walti vom 23. Sep-tember 2020 vor der vereinigten Bundesversammlung.