Onorevole signora presidente del consiglio nazionale e ell’Assemblea federale
Monsieur le président du Conseil des Etats
Meine Damen und Herren National- und Ständeräte
Monsieur le président de la Confédération
Geschätzte Bundesrats-Kolleginnen und Kollegen,
Herr Bundeskanzler
Wenn Sie mich fragen, was mein Lieblingsmöbel ist, käme mir bestimmt kein Rednerpult in den Sinn. Auch dieses hier nicht. Aber wissen Sie was? Heute hier zu sprechen, fällt mir schwer und leicht zugleich.
Schwer, weil auch Wehmut mitschwingt. Leicht, weil ich zum ersten Mal vor Ihnen stehe, ohne etwas zu wollen. Ich muss nichts durchbringen. Ich brauche keine Stimmen. Und am Schluss gibt es keine roten und grünen Punkte an der Tafel, die über Ja oder Nein entscheiden.
Nein, heute trete ich „nur" ans Pult, um mich zu verabschieden. Und Ihnen alles Gute zu wünschen. Natürlich besonders den beiden neuen Mitgliedern des Bundesrates, die Sie heute wählen. Denn der heutige Tag ist nicht wegen der Abtretenden so wichtig, sondern wegen der Antretenden.
Permettez-moi cependant de commencer par les remerciements.
D’abord à vous, Mesdames et Messieurs les Conseillers nationaux et les Conseillers aux États. Notre collaboration a été intense. Nous avons défendu nos opinions, convergentes ou non, comme le veut la démocratie. La discussion au Parlement est la dernière étape avant une éventuelle consultation populaire. D’où son importance.
Je souhaite aussi remercier mes collègues du Conseil fédéral. Je suis uni à eux par la volonté de trouver des solutions dans le débat. Des solutions pour lesquelles il n’y a ni recette simple, ni manière de voir unique. Un collège, c’est un tout, pas un assemblage. Chacun de ses membres porte la responsabilité de l’ensemble des dossiers, et non seulement des siens. C’est pour cette raison que j’ai attaché une si grande importance au travail au sein du Conseil fédéral.
In terzo luogo, ringrazio tutte le collaboratrici, tutti i collaboratori. Nessuno può avere successo, da solo. E questo vale sia per un imprenditore sia per un consigliere federale. Serve una squadra – e io sono orgoglioso della mia squadra.
Und i dankä mirä Familiä. Mini Frou sitzt uf dr’ Tribünä. Mini Kindä müäusä schaffä. Sie alli hei mi treit. Ohni si heti nöd chönä Bundesrat si.
Nun, was bleibt und was steht bevor?
Sie alle wissen, wie ich das Amt als Bundesrat interpretiert habe: Arbeiten und Resultate bringen. Resultate mit Blick auf die übernächste Generation. Denn Politik muss einen deutlich weiteren Horizont haben als den Moment.
Ich habe mich stets als Verfechter des Konkreten verstanden, nicht als Publikumsliebling. Schlagzeilenreiche Nebensachen haben mich weniger interessiert als bodenständige Hauptsachen. Befindlichkeiten weniger als Beharrlichkeit. Ankündigungen weniger als Resultate.
Nun, was ist dieses Konkrete genau, das mir so wichtig war? Es steht auf vier Pfeilern:
Erstens: Dass möglichst alle Arbeit haben, eine Perspektive und einen Lebenssinn. In der Schweiz ist das heute weitgehend so. Das füllt keine Frontseiten. Aber das Gegenteil täte es.
Zweitens: Dass die Wirtschaft wettbewerbsfähig ist. Dass sie Innovationsweltmeisterin bleibt. Und: Wir haben eine gut funktionierende Sozialpartnerschaft, die sich auch in schwierigen Passagen immer wieder finden muss. Auch das füllt keine Frontseiten. Aber es ist wichtig. Wichtig für die mehr als 550´000 Unternehmen, und wichtig für die über 5 Millionen Arbeitsplätze.
Damit die Wirtschaft erfolgreich ist und die Menschen Arbeit finden, muss der dritte Pfeiler stark sein: die Bildung und die Forschung. Mir liegt die Berufslehre ebenso am Herzen wie wissenschaftliche Spitzenleistungen. Beides muss dynamisch sein, denn die Welt steht nicht still. Und je schneller sie dreht, desto besser müssen wir sein als alle anderen. Das tönt simpel, ist es aber nicht.
Und viertens muss die Schweiz insgesamt gut dastehen. Das Land und die Leute, die Städter und der Bauernstand, Jung und Alt. Auch das ist heute weitgehend so. Aber es ist nicht selbstverständlich und es ist nicht garantiert. Mit anderen Worten: Hier sind wir gefordert.
Hier müssen wir besser werden, flexibler und – da bin ich überzeugt – liberaler. Wir müssen wieder mehr ermöglichen und weniger verbieten. Mehr wagen und weniger regulieren. Mehr auf die Realität schauen und weniger auf Positionen. Mehr auf Reformbedarf und weniger auf Besitzstände. Mehr auf Weltverbundenheit und weniger auf Rückzug.
Souveränität heisst nicht, dass man rückwärts schaut. Souveränität heisst, so zu steuern, dass den langfristigen Interessen des Landes am besten gedient ist. Das stand für mich immer im Vordergrund. Ob in Bern, Brüssel, Peking oder Washington.
Deshalb war ich unentwegt als Handelsreisender für Freihandel unterwegs. Deshalb habe ich im Präsidialjahr überall auf der Welt Kontakte geknüpft. Deshalb habe ich die Digitalisierung weit oben auf die Agenda gesetzt. Deshalb waren mir Berufsbildung und Horizon 2020 so wichtig. Deshalb setze ich mich für eine moderne Landwirtschaft ein.
Natürlich: Nicht alles ist abgeschlossen. Nicht alles gelang. Es gab auch Rückschläge. Politische Arbeit ist nie fertig. Man kann nie zurücktreten, weil alles erledigt ist. Aber man muss ein aufgeräumtes Haus hinterlassen.
Dazu zum Schluss noch drei Gedanken, die mir wichtig sind: Zur Ehrlichkeit in der Politik, zur Rechtzeitigkeit und zum Mut, die Reihen zu schliessen, wenn es darauf ankommt.
Zur Ehrlichkeit in der Politik gehört, das Wichtige so zu benennen, wie es ist – nicht so, wie es einem besser passt. Ehrlichkeit heisst, weder sich noch andere in Illusionen zu wiegen. Und es heisst auch, sich nicht hinter populären Aufregungen des Tages zu verstecken, statt dort zu handeln, wo es wirklich brennt.
Zur Rechtzeitigkeit: Das Gegenteil von rechtzeitig ist, bei unangenehmen Fragen ein bisschen Zeit zu schinden, und noch ein bisschen, bis es zu spät ist. Rechtzeitigkeit entscheidet über Plan oder Tat. Aufschieben mag kurzfristig einfacher sein als handeln. Aber nur wer handelt, kommt nicht zu spät ans Ziel.
Der letzte Satz gilt dem Mut, sich zusammenzutun, wenn Lösungen im Vordergrund stehen und nicht die eigene Profilierung: Über seinen Schatten zu springen ist kein Gesichtsverlust, es kann sogar Grösse sein.
Denn Ehrlichkeit, Rechtzeitigkeit und Mut setzen voraus, dass man das Wohl des Landes vor sein eigenes stellt.
Das sind meine Wünsche an Sie – und das wünsche ich auch der Schweiz, unserem Petit Paradis.
Danke. Merci. Grazie. Grazia fitg.
Die Abschiedsrede von Bundesrat Schneider-Ammann gibt es auch als Video