Die Initiative stellt zwei klare Forderungen: Die Beendigung der Personenfreizügigkeit mit der EU und den EFTA-Ländern sowie ein dauerhaftes Verbot für den Abschluss vergleichbarer Freizügigkeitsabkommen. Dies hätte für unseren Wohlstand erhebliche negative Auswirkungen. Denn es geht nicht nur um die Personenfreizügigkeit: Kann der Bundesrat diese nicht innerhalb von 12 Monaten auf dem Verhandlungsweg ausser Kraft setzen, muss er das Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit der EU innerhalb von 30 Tagen künden. Durch die Guillotineklausel fallen sechs Monate später alle sieben Abkommen der Bilateralen I dahin. Eine Lösung mit Brüssel scheint angesichts der europäischen Grosswetterlage und des Brexit-Chaos unrealistisch.
Der Wegfall der gesamten Bilateralen I mit unseren wichtigsten Handelspartnern würde die Schweiz hart treffen. Im Handel mit der EU verdienen wir mehr als jeden zweiten Franken. Rund eine Million Jobs hängen direkt oder indirekt vom Zugang zum europäischen Binnenmarkt ab. Mit den der Bilateralen I würden wir einen bedeutenden Standortvorteil zu Grabe tragen.
Schädlich und nutzlos
Die Initiative löst auch die eigentlichen Herausforderungen im Bereich Zuwanderung nicht. Diese liegen im Asyl- und teilweise im Drittstaatenbereich, nicht aber bei den in der Regel gut qualifizierten Zuwanderern aus der EU. Die EU-Zuwanderung hat sich jedoch seit 2013 mehr als halbiert und lag 2018 bei 31‘000 Personen. Für das Jahr 2019 zeichnet sich eine noch tiefere Zahl ab. Nicht die von der SVP vorgeschlagene staatliche Lenkung hat die Zuwanderung in den letzten Jahren reduziert, sondern die positive wirtschaftliche Entwicklung Europas, insbesondere Deutschlands. Je besser die Schweizer Wirtschaft läuft, umso mehr Fachkräfte zieht sie an. Wenn aber trotz guter Konjunktur weniger Fachkräfte in die Schweiz kommen, heisst das: Der Wettbewerb wird härter. Bürokratische Zulassungsverfahren für Fachkräfte aus Drittstaaten oder restriktive EU-Kontingente, wie von der SVP verlangt, sind dann ein Bremsklotz für die Entwicklung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Schweiz.
Keine Verdrängung
Die SVP versucht, die Initiative zu emotionalisieren und Ängste um Arbeitsplätze in der Bevölkerung zu schüren. Der jährliche Beobachtungsbericht des Staatsekretariats für Wirtschaft stellte bisher jedoch keine Verdrängung von Inländern auf dem Arbeitsmarkt durch Zuwanderer fest. Nach fast zwei Jahrzehnten Personenfreizügigkeit hat die bereits hohe Beschäftigung sowohl für Schweizer wie auch für die Zuwanderer noch weiter zugenommen. Vom Beschäftigungswachstum haben weitgehend alle Kantone und Regionen profitiert.
Der wichtigste Faktor für sichere Arbeitsplätze in unserem Land sind letztlich gute wirtschafts- und handelspolitische Rahmenbedingungen. Deshalb sind die Bilateralen I, die uns den barrierefreien Zugang zum EU-Binnenmarkt garantieren, von enormem Wert. Wir sind auf diesen grossen Markt vor unserer Haustür angewiesen. Fällt dieser Zugang weg, hat dies unweigerlich massiv negative Konsequenzen für die Arbeitsplätze in unserem Land. Kurzum: Die Kündigungsinitiative der SVP löst keine Probleme, schafft aber schwerwiegende neue! Getrauen wir uns deshalb, dieser gefährlichen Initiative mutig entgegenzutreten, die Fakten sind auf unserer Seite.