Seit geraumer Zeit häufen sich die negativen Berichterstattungen rund um unser Trinkwasser. Zu lesen ist von überschrittenen Grenzwerten, zu hohen Antibiotikarückständen oder der Überdüngung unserer Böden. Diese Erkenntnisse und Risiken sind ernst zu nehmen und mit geeigneten Instrumenten zu begegnen. Wir alle wollen eine Schweiz mit gesundem Trinkwasser und Lebensmitteln – und ich persönlich bin nicht bereit, weder auf das eine noch auf das andere zu verzichten. Klar ist aber auch, dass die Initianten aus strategischem Kalkül diese Berichterstattung zugunsten von ihren Anliegen nutzen. Die daraus entstehende Polemik soll Unsicherheit und Angst wecken – um die Abstimmungen zu gewinnen. Auf der Strecke bleiben dabei leider zu oft die sorgfältige Auseinandersetzung mit den Fakten. Denn diese sind bei weitem nicht so skandalbehaftet und rechtfertigen es, beide Initiativen zu verwerfen, weil sie klar über das Ziel hinausschiessen.
Signifikante Verbesserungen erzielt
Die vielen positiven Entwicklungen werden in der Debatte ausgeblendet: Allein in den letzten zehn Jahren ging der Verbrauch an chemischen Mitteln für die konventionelle Landwirtschaft um 40% zurück. Auch insgesamt ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im selben Zeitraum um 27% gesunken.
Wichtig zu wissen: Alle verwendeten Pflanzenschutzmittel sind von den Behörden offiziell zugelassen, und es gibt ständige, strenge Kontrollen. Wird also zum Beispiel im EU-Raum ein Pflanzenschutzmittel verboten, weil es als gesundheitlich gefährlich eingeschätzt wurde, hat das direkte Konsequenzen auf die Zulassung in der Schweiz. Auch das Trinkwasser wird behördlich überwacht und hat im internationalen Vergleich einen der höchsten Standards. Wir können unser Hahnenwasser bedenkenlos trinken – heute wie auch morgen.
Lebensmittelgesetz setzt hohe Standards
Der Gesetzgeber stellt mit dem Lebensmittelgesetz (LMG) ein griffiges Instrument für sauberes Trinkwasser und Lebensmittel bereit. Dort gilt «Wasser für den menschlichen Konsum» als Lebensmittel. Darin legt der Bund auch Rückstandshöchstgehalte von Pestiziden und Nitrat fest, bei deren Einhaltung, Lebensmittel, inklusive Trinkwasser als gesundheitlich unbedenklich gelten. Stellt die Vollzugsbehörde gesundheitsschädliche Überschreitungen fest, hat es mit Art. 34 LMG die notwendigen Instrumente, um rasch zu handeln.
Handlungsbedarf erkannt und korrigiert
Es ist aber nicht so, dass sich die Politik und die zuständigen Behörden mit den jetzigen Erfolgen oder Standards zufriedengeben. Darum nimmt etwa die parlamentarische Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» die Kernanliegen der Initiativen direkt auf. Bis 2027 sollen die mit Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken für Oberflächengewässer, naturnahe Lebensräume und als Trinkwasser genutztes Grundwasser um 50% reduziert werden – der Bundesrat kann zudem den weiteren Absenkpfad festlegen. Bei einer Grenzwertüberschreitung verliert das betreffende Produkt seine Zulassung. Hier wurde ein zentrales Anliegen der Initianten aufgenommen. Nicht zuletzt zeigt der «Massnahmenplan sauberes Wasser», der die parlamentarische Initiative genauer definiert und aktuell in der Vernehmlassung ist, dass es dem Bundesrat ernst ist.
Die vielen aufgegleisten Massnahmen zeigen: Bund und Parlament ist es ernst.
Ein weiteres Beispiel ist der Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Damit sollen die Risiken halbiert und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz gefördert werden. Bereits mit dem Start des Aktionsplans Pflanzenschutz im Jahr 2017, haben die Behörden zahlreichen Wirkstoffen die Zulassung entzogen. Im Frühling hat das Parlament die Regeln bei der Pestizidzulassung noch weiter verschärft. Mit dem Aktionsplan werden laut einer Prognose des Forschungszentrums Agroscope des Bundesamtes für Landwirtschaft in fünf Jahren 45% der freien Flächen und Felder mit mehrjährigen Kulturen pestizidfrei. Das ist schneller und konkreter umsetzbar als mit den extremen Agrarinitiativen – und führt zu weniger unerwünschten Nebeneffekten.
AP22+ als Chance für die Schweizer Landwirtschaft
Die FDP hat alle diese bereits ergriffenen Massnahmen unterstützt und sich in ihrem Positionspapier vom Sommer 2019 für eine freisinnige Umwelt- und Klimapolitik erneut klar zu einer ökologischeren Landwirtschaft bekannt. Anstatt diese aber mit den extremen Agrarinitiativen mit dem Vorschlaghammer zu forcieren, will die FDP das Ziel mit richtig gesetzten Rahmenbedingungen, Anreizen und mit Technologieoffenheit erreichen. Selbstredend unterstützen wir ebenso die Senkung des Einsatzes der Pflanzenschutzmittel, allerdings wäre ein komplettes Anwendungsverbot dieser Wirkstoffe kontraproduktiv. Es fehlen wirksame Alternativen in diversen Kulturen. Bei einem vollständigen Verzicht wäre die Qualitätsproduktion gefährdet und es droht eine hohe Resistenzgefahr.
Anstatt zu skandalisieren, will die FDP mehr Zeit in die Weiterentwicklung der Agrarpolitik investieren. Ein zentraler Pfeiler in dieser umfassenden Debatte ist die Agrarpolitik nach 2022 (AP22+). Sie baut auf den vorhergehenden Massnahmen auf und soll einerseits dazu beitragen, die Schweizer Landwirtschaft und insbesondere gesunde Schweizer Lebensmittel und Trinkwasser zu sichern. Andererseits soll sie zur Stärkung der Effizienz der Betriebe und zur Reduktion der Umweltbelastung führen. Die stark kritisierte Aufschiebung der Debatte über die AP22+ blendet jedoch aus, dass der ursprüngliche Entwurf bei weitem nicht den Ansprüchen einer umfassenden Weiterentwicklung gerecht wurde. Produktionsentscheide sollen verstärkt auf die Nachfrage der Konsumenten. Selbstverantwortung und Innovationskraft der Landwirtschaft ausgerichtet werden. Es war darum richtig, für die AP22+ eine Gesamtschau zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik mit der vertieften Prüfung von Verbesserungsmöglichkeiten zu fordern. Nur so können die Weichen für eine zukunftsgerichtete Schweizer Landwirtschaft mit einer qualitativ hochstehenden Produktion in einem wettbewerbsfähigen Umfeld gestellt werden.
Daniela Schneeberger, Nationalrätin BL