Was hat Sie bewogen, ein Buch über die Entstehung der modernen Schweiz zu schreiben?
Zum einen stellte ich fest, dass die liberalen Grundwerte, die die Schweiz einst ausmachten, heute nicht mehr gleich stark verankert sind. Immer mehr Regulierungen und Verbote und gleichzeitig fehlender Respekt vor dem Rechtsstaat, Stichwort Klimakleber, machen mir Sorgen. Mit meinem Buch will ich diese Grundwerte in Erinnerung rufen. Dazu kommt, dass die meisten Menschen keinen Bezug zum Jahr 1848 haben. Ich möchte einen niederschwelligen Zugang zu diesen wichtigen Ereignissen bieten.
Welche Rückmeldungen haben Sie zum Buch erhalten?
Viele Positive! Besonders gefreut hat mich, dass Leserinnen und Leser das Buch nachbestellt haben, um es weiter zu verschenken. Die breite Streuung dieses elementaren Wissens war auch ein Ziel von mir.
Für die Recherche haben Sie sich vertieft mit den Geschehnissen im Jahr 1848 befasst. Was hat Sie überrascht?
Das Tempo, in dem die Grundlagen für die moderne Schweiz gelegt wurden, hat mich stark beeindruckt. Zumal Pferd und Brief die schnellsten Transport- und Kommunikationsmittel waren. Wenn man bedenkt, dass wir heute für ein kantonales Gesetz zwei Jahre benötigen, ist die Leistung noch höher einzustufen.
Gibt es einen spezifischen Grund, weshalb die liberale Revolution in der Schweiz erfolgreich war?
Eine Stärke war sicher, dass nicht nur eine Person prägend war, sondern mehrere kluge Köpfe. Die Revisionskommission, die die Verfassung erarbeitete, umfasste 23 Kantonsvertreter. Zudem war es entscheidend, dass die wirtschaftliche und staatliche Entwicklung im Gleichschritt erfolgte. Der Fortschritt der Eisenbahn und der Abbau von Zöllen waren wichtige Treiber. Und schliesslich waren auch viel Glück und einige Zufälle ausschlaggebend.
Hilft das diesjährige 175 Jahre-Jubiläum die Leistungen von 1848 bekannter zu machen?
Als ich 2018 mit meinem Buchprojekt begann, hatte ich das Jubiläum überhaupt nicht im Kopf und der Wissenstand über 1848 war gering. Jetzt rücken die Geschehnisse zwar etwas in den Vordergrund, aber es ist kein Vergleich zu 1991, als wir 700 Jahr Eidgenossenschaft feierten. Ich denke, nach dem Jubiläumsjahr verschwindet das Thema wieder aus dem Bewusstsein, wenn es nicht bewusst gepflegt und in den Schulen vermittelt wird.
Freisinnige haben die Bundesverfassung geprägt. Was kann die FDP heute von ihnen lernen?
Ein Direktvergleich ist schwierig, da die damaligen Freisinnigen extrem heterogen waren und es ganz unterschiedliche Strömungen gab. Heute ist die FDP geschlossener. Nichtsdestotrotz schadet es sicher nicht, wenn sich die FDPler von heute an den Werten von Ulrich Ochsenbein orientieren: Schlanker Staat und Hochhalten des Föderalismus.
Wie lässt sich das konkret umsetzen?
Es ist nicht einfach. Jede Politiker-Generation will gestalten und das heisst meist regulieren. Wir Freisinnige sollten wieder mehr Werbung für unser freiheitliches Erfolgsmodell machen und aufzeigen, welchen Mehrwert eine liberale Schweiz bietet.
«Demokratie mit Zukunft» ist in erster Linie ein Sachbuch, aber es hat fiktionale Einschübe, die auffallen. Was steckt dahinter?
Die kleinen Geschichten dienen dazu, trockene Themen wie Gewerbe- oder Niederlassungsfreiheit anschaulich zu erklären. Zudem war es beim Schreiben eine willkommene Abwechslung zum faktenbasierten Stil des Sachbuchs.
Sie thematisieren auch mögliche Gefahren für Demokratien. Halten Sie die Schweizer Demokratie für gefährdet?
Mir macht Sorgen, dass sich die Menschen nicht mehr engagieren und der Demokratie gegenüber gleichgültig werden. Das würde unserem System schaden. Ich rechne aber nicht damit, dass irgendein «Schnurri» kommt und die Schweiz zu einer Diktatur macht. Dafür sind unsere Institutionen zu gefestigt.
Thomas Lötscher (Jahrgang 1968) ist Generalsekretär der Finanzdirektion des Kantons Zug. Zuvor war er 14 Jahre Kantonsrat. Das Buch Demokratie mit Zukunft ist im Weber Verlag erschienen und ist im Buchhandel oder direkt bei Thomas Lötscher (t.loetscher@datazug.ch) für 29 Franken plus Versandkosten erhältlich.