1. Inwiefern nützt das Völkerrecht der Schweiz und inwiefern schränkt es die Schweiz ein?
Die Schweiz profitiert als offenes und kleines Land besonders von einer stabilen internationalen Rechtsordnung. Das Völkerrecht hilft uns, eine offene Wirtschaftspolitik zu betreiben, stärkt die Grundrechte und festigt die Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Die Alternative wäre das internationale „Recht des Stärkeren“, was uns schaden würde.
2. In welchen Bereichen sehen Sie trotzdem Verbesserungsbedarf?
Erstens dürfen wir ruhig etwas genauer hinschauen, welche Verträge wir konkret eingehen. Manche Verträge bringen zu wenig, schränken aber übermässig ein. Die meisten unserer Verträge aber sind in unserem Sinne. Zweitens sollten wir dafür sorgen, dass die Zustimmung zu solchen Verträgen noch stärker demokratisch legitimiert ist, namentlich bei Verträgen mit verfassungsmässigem Charakter. Das stärkt auch das Völkerrecht. Drittens sollten wir eine langfristige Debatte darüber führen, welche Norm im Konfliktfalle vorgeht.
3. Wieso gilt es die Initiative der SVP «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) abzulehnen?
Die Selbstbestimmungsinitiative ist nichts anderes als eine doppelte Kündigungsinitiative. Würde sie angenommen, müssten wir sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) kündigen als auch die Bilateralen Verträge mit der EU. Das ist die wahre Absicht der SVP.
Die Selbstbestimmungsinitiative ist nichts anderes als eine doppelte Kündigungsinitiative.
4. Wäre diese doppelte Kündigung denn schlimm für uns?
Ja, das wäre brandgefährlich. Die bilateralen Verträge sind eine Säule unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Und die EMRK ist unsere letzte Versicherung gegen staatliche Willkür, in der Schweiz und für hunderte von Millionen Europäern. Auch die Schweiz ist nicht vor staatlicher Willkür gefeit, man denke an die Vollmachtenregimes, die von 1914 bis 1952 (!) wirkten und Freiheitsrechte extrem einschränkten. Eine Kündigung der EMRK wäre für uns daher persönlich nachteilig. Sie wäre aber auch international unverständlich und würde ein Bild der Schweiz abgeben, welche sich gegen Menschenrechte ausspricht. Das wäre ein Freipass für autokratische Staaten, sich noch mehr die Rechte ihrer Bürger zu foutieren.