Ende April wurden Sie vor drei Bisherigen in den Genfer Staatsrat gewählt. Wie erklären Sie sich diese Glanzwahl?
Die Wahl ist die Folge einer tollen Kampagne zusammen mit der wiedergewählten Staatsrätin Nathalie Fontanet. Wir beide haben uns optimal ergänzt und die Bevölkerung mit konkreten Vorschlägen in Bezug auf die Kaufkraft und spezifisch Eltern angesprochen. Zudem habe ich meine Kampagne in den sozialen Medien mit vielen Kurz-Videos zu meinen Ideen und über meine Wahlkampfveranstaltungen geführt.
Erklärtes Ziel der FDP Genf war es, den zweiten Regierungssitz zurückzugewinnen. Haben Sie deshalb Druck verspürt?
Ich spürte einen gewissen Druck, gerade auch weil es viele Kandidierende und im ersten Wahlgang kein Bündnis gab. Ich wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn es aus diesem Grund nicht geklappt hätte.
Worauf freuen Sie sich als Staatsrätin am meisten?
Ich freue mich auf mein Departement, die Bildungsdirektion, aber auch auf die Mitarbeitenden und darauf, Ideen aus dem Wahlkampf in der Praxis umzusetzen.
Im Genfer Staatsrat gibt es neu eine Frauenmehrheit, die Stadtregierung von Carouge, der sie angehörten, besteht sogar ausschliesslich aus Frauen. Gibt es Unterschiede zu Gremien mit einer Männermehrheit?
Ich bin stolz darauf, Teil einer Frauenmehrheit im Staatsrat zu sein. Da ich in Exekutiven war, die ausschliesslich oder mehrheitlich von Frauen besetzt waren, kenne ich es gar nicht anders. Ich bin überzeugt, dass auch die neue Konstellation des Staatsrates gut funktionieren wird. Wenn ich dabei mithelfen kann, dass Frauen in Führungspositionen nicht mehr als Ausnahme wahrgenommen werden, umso besser! Ich muss aber auch zugeben, dass eine Veranstaltung der FDP Frauen ausschlaggebend war, mich definitiv für die Kandidatur zu entscheiden.
In den Medien wurden Sie teilweise als ruhig und zurückhaltend beschrieben. Müssen Sie Ihren Stil ändern, um in der teilweise lauten Kantonspolitik zu bestehen?
Ich denke, das Wichtigste ist, sich selbst zu bleiben. Es stimmt, dass laute Parolen nicht unbedingt meinem Charakter entsprechen, aber meine Persönlichkeit hat mich nicht daran gehindert, gewählt zu werden. Viele Menschen haben mir geschrieben, dass Sie mein Einfühlungsvermögen und meine Authentizität im Wahlkampf geschätzt haben. Ich glaube deshalb nicht, dass ich meinen Stil ändern muss. Wichtig ist es, klare Ziele zu haben und Entscheidungen zu treffen, hinter denen ich stehen kann.
Als stellvertretende Generalsekretärin der Genfer Immobilienkammer sind Sie mit dem Thema Wohnungsknappheit vertraut. Welche Massnahmen braucht es, um die Wohnungsnot zu lindern?
Es braucht mehr Bautätigkeit und Verdichtung. Insbesondere müssen wir höher bauen und mit dem Boden sparsamer umgehen. Es muss auch möglich sein, bestehende Gebäude aufzustocken. Wichtig wären auch passende Wohnungen für Senioren, damit sie ihre oft zu grossen Wohnungen zugunsten von Familien freigeben können.
Die Wahlerfolge von Ihnen und Nathalie Fontanet zeigen, dass die Genfer Bevölkerung FDP-Kandidatinnen vertraut. Ist das ein positives Zeichen im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Oktober?
Ich hoffe es! Mit der Kandidatur von Simone de Montmollin für den Ständerat und den anderen fünf Persönlichkeiten, die für den Nationalrat kandidieren sind wir gut aufgestellt. Ich bin überzeugt, dass wir auch im Oktober das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen.
Interview: Marco Wölfli