Gemeinsam kommen wir weiter – nicht gegeneinander

Gedanken zur Einreichung der 99-Prozent-Initiative

In der Schweiz sind die Einkommen sehr ausgewogen verteilt. Dies dank einem exzellenten Bildungssystem, einem liberalen Arbeitsmarkt, attraktiven Standortbedingungen und einem stark umverteilenden Sozial- und Steuersystem. Aber jetzt kommt die 99%-Initiative der Juso daher und gefährdet den Zusammenhalt in unserem Land. 

Alle leisten ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Schweiz. Wir sollten nicht anfangen, Teile der Gesellschaft populistisch gegeneinander auszuspielen. 

In bester Klassenkampf-Manier haben die JUSO heute ihre 99%-Initiative eingereicht. Für sie wird in der Schweiz das Kapital gegenüber der Arbeit viel zu wenig besteuert. Sie wollen darum Kapitaleinkommen 1.5-mal so stark wie Arbeitseinkommen besteuern. 
Scheinbar gibt es in der Schweiz eine gierige, egoistische und unverbesserliche Elite, die es auszumerzen gilt. Sie ist die Wurzel allen Übels und trägt nichts zur Allgemeinheit bei. Ich weiss nicht, ob ich mich persönlich auch betroffen fühlen sollte. Aber ja, die Initiative macht mich betroffen. Denn sie dividiert eine sehr gut funktionierende Schweiz unnötig auseinander. Sie sät Misstrauen und verzerrt die Realität in bedauerlicher, populistischer Art und Weise. 

Einkommensverteilung in der Schweiz sehr ausgewogen

Dabei zeigen die Zahlen, dass der in den letzten Jahrzehnten erarbeitete Wohlstand allen zugutekommt. Die Reichen werden eben nicht immer reicher und die Ärmeren nicht immer ärmer. Professor Reiner Eichenberger weiss: „Die von der Juso verwendeten Zahlen spiegeln nur die steuerpflichtigen Vermögen. Bei Berücksichtigung der steuerbefreiten Vermögen, insbesondere des Kapitals in der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge, gibt es keine auffällige Vermögensschere.“ Die Schweiz ist zudem weiterhin das europäische Land mit der ausgewogensten Einkommensverteilung vor Steuern und Unterstützungszahlungen.

Es ist auch nicht so, dass das Kapital in der Schweiz gar nicht oder zu wenig besteuert wird. Im Vergleich zur Arbeit wird Kapital im internationalen Vergleich sehr hoch besteuert. Ähnlich hohe Vermögenssteuern gibt es im OECD-Raum nur noch in Norwegen. Kapital wird zudem besteuert durch die Vermögenssteuer für juristische Personen, die Einkommenssteuer auf Kapitaleinkommen, die Erbschaftssteuer in einigen Kantonen, die Stempelabgabe, die Unternehmensgewinnsteuer und übrige Steuern auf Vermögenswerten, wie etwa Immobilien. Bei grossen Vermögen sind die Steuern sogar so hoch, dass das Vermögen de facto aufgefressen wird.

Ich leiste gerne einen Beitrag zum Zusammenhalt der Schweiz

Ich wollte es einmal genau wissen und habe es für mich persönlich ausgerechnet. Ernüchterndes Fazit: Mein eigenes Kapital wird nicht, wie die Juso es will, 1.5-mal so stark wie Arbeitseinkommen besteuert – sondern satte 2.3-mal! Ich muss nämlich nicht nur das Einkommen aus Vermögen versteuern, sondern auch die Vermögenssteuer bezahlen, die ich wiederum nur aus einkommensversteuertem Geld bezahlen kann. Die Juso vergessen scheinbar einfach die Vermögenssteuer und machen ihre Initiative letztlich zu einer Enteignungsinitiative.

Ich habe in meinem Leben viel gearbeitet, viele Arbeitsplätze geschaffen, viel investiert und wirklich viele Steuern bezahlt. Aber ich leiste gerne meinen Beitrag, denn ich weiss, er trägt zu einer Schweiz bei, die Erfolg ermöglicht und meinen Kindern auch wieder viele Chancen gibt. Er ermöglicht ein exzellentes Bildungssystem, das Chancengleichheit garantiert, attraktive Standortbedingungen, damit Arbeitsplätze geschaffen werden und verhältnismässige Steuern, die Investitionen in der Schweiz ermöglichen. Es ist ein Beitrag zum Zusammenhalt der Schweiz. Wahren wir diese Stärken und fangen wir nicht an, Teile der Gesellschaft populistisch gegeneinander auszuspielen. 
 

Ruedi Noser