Am 25.02.1894 sind 343 Delegierte in Olten zur Gründung der Freisinnig-demokratischen Partei zusammengekommen. Heute sind es über 1900 Delegierte. Sogar Vertreter der Kantone Schwyz, Unterwalden und Wallis sind anwesend, die damals noch daheimgeblieben sind.
Wir sind als Partei der Mitte entstanden, die sich gegen linke und rechte Extreme abgrenzte, sich aber für soziale Reformen und für einen starken und unabhängigen Bundesstaat aussprach. Vielleicht war man sogar nicht so sehr Partei als eine Koalition von Tendenzen, die durch die Feindschaft gegen die extreme Linke und die konservative Rechte zusammengeführt wurde.
Für die FDP 1994 gestaltet sich die Arena etwas ähnlich. Nach wie vor sind wir mit der linken Antibürgerlichkeit konfrontiert. Zwar ist der real existierende Sozialismus als staatsbestimmende Lösung zusammengebrochen. Trotzdem das Desaster des Sozialismus auch ein Desaster der ungezählten heimlichen und offenen Anwälte des Sozialismus bei uns ist, bleiben auch bei uns sozialistische Utopieerwartungen lebendig.
Auf der andren Seite haben wir es heute verstärkt mit der rückwärtsgerichteten Utopie zu tun, eine rechtsextreme Antibürgerlichkeit, welche anstelle der praktischen Politik das Ressentiment treten lässt. Man weiss, was man nicht will, man leistet Widerstand gegen das Kommende, ohne aber Vorschlage für Problemlösungen zu unterbreiten.
Eine defensive Einstellung gegen Extreme genügt aber in der Politik nicht. Dies ist die historische Erfahrung, und dies wollen wir auch nicht, weil es nicht unserer Mentalität entspricht. Wir brauchen soziale Phantasie für die Entwicklung von neuen politischen Lösungen. Der Unternehmergeist, der etwas wagt, ist nicht nur im wirtschaftlichen Bereich notwendig, sondern auch im sozialen, kulturellen und politischen Leben. Wir wollen deshalb Offenheit, wir fürchten uns nicht vor der politischen Auseinandersetzung, wir wollen Re formen. Deshalb sind wir offensiv.
Wir wollen keine Finger-überall-drin-Politik nach der sozialistischen Utopie.
Wir wollen aber auch keine Hände-weg-Politik, weil man nicht weiss, was man will oder schlicht aus Verdrossenheit.
Wir wollen einen radikalen Mittelweg mit einigen notwendigen und richtigen Entscheiden. Entscheide, welche zum Ziel führen, welche finanzierbar sind und welche verhältnismässig sind.
Wir bieten keine Utopien an, welche schliesslich zu staatlichen Befehlssammlungen führen und den Staat schliesslich überfordern.
Unsere oberste Aufgabe ist zunächst die Bewahrung der Offenheit, welche für eine offene Gesellschaft Voraussetzung ist. Alles andere ist dem Wettstreit der Meinungen unterworfen, jedoch nach Spielregeln, welche diese Offenheit garantieren. Das Gemeinwohl wird in ständiger Auseinandersetzung definiert.
Wir wollen eine Politik der Freiheit. Auch wenn die Ziele noch so hoch sind, wir sind nicht bereit, diesen Zielen die Freiheit zu opfern. Feste Verankerung der Institutionen gehört deshalb zum Bestand der Freiheit. Für uns darf der Staat nicht feige sein. Wir lassen uns deshalb nicht vorn gängigen Sozialhelferkitsch überwältigen.
Wir wollen nicht, das die liberale Ordnung an innerer Überforderung durch eine Rundum-Erfüllungs-Politik zusammenbricht. Wir wollen Bürgerinnen und Bürger und nicht Kosumenten. Wir wollen die Krise des überforderten Staates lösen, solange sie lösbar ist und die Tatsachen nicht verdrängen, bis die unlösbare Krise unvermeidlich wird, wenn die Bücher endlich doch aufgedeckt werden müssen.
Wir wollen aber sinnvolle Veränderungen und nicht lediglich Veränderungstheater, das alles beim Gewesenen belasst.
Dies setzt aber einen Gemeinsinn der Bürgerinnen und Bürger voraus. Wir sind der Auffassung, dass dieser Gemeinschaftssinn existentiell notwendig ist für die überlebensfähigkeit der Schweiz. Für moderne und komplizierte Gesellschaften ist das Subsidiaritätsprinzip unverzichtbar. Der Einzelne, die Familie, die Gemeinde und der Kanton haben wichtige Aufgaben. Der Missbrauch der sozialen Institutionen ist deshalb mit aller Kraft zu bekämpfen. Unsere vordringliche Aufgabe ist die schwierige Balance im
Verhältnis zwischen Bürger und Staat wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die liberale Bewegung hat die Untertanenverhältnisse beseitigt. Die Fixierung auf den materiellen Vorteil, den man vom Staat erwartet, ist die zeitgemässe Form der Unterwürfigkeit. Dieses Untertanenverhältnis ist nicht besser und verdient deshalb auch nicht unsere Unterstützung.
Die liberale Ordnung ist 1994 zentral herausgefordert. Wir sind die politische Kraft, um diese politische Ordnung, welche ihre Zukunftsfähigkeit bewiesen hat, in der Schweiz als massgebenden politischen Orientierungspunkt zu erhalten. In diesem Sinne ist unser heutiges Jubiläum nicht nur Wegmarke, sondern auch Aufbruch ins nächste Jahrhundert.