Im letzten Jahr warteten in der Schweiz 1434 Personen auf ein Spenderorgan. Jede Woche starben ein bis zwei Personen, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ gefunden werden konnte. Die Spenderate ist in der Schweiz im Vergleich mit anderen europäischen Ländern zudem sehr tief. Auch der 2013 lancierte Aktionsplan des Bundes, durch welchen die Spenderate massgeblich gesteigert werden sollte, hat zu wenig gebracht. Dass Handlungsbedarf besteht, ist somit unbestritten. Das Parlament hat vor diesem Hintergrund das Transplantationsgesetz revidiert und sich für einen Systemwechsel entschieden: Heute muss, wer nach dem Tod seine Organe spenden will, dem zu Lebzeiten ausdrücklich zustimmen und diesen Entscheid auf einem Spenderausweis oder im nationalen Organspenderegister festhalten. Man bezeichnet dies als «Zustimmungslösung». Neu sollen nun Personen, die ihre Organe nach ihrem Tod nicht spenden möchten, dies explizit festhalten müssen. Man geht damit zur sogenannten «Widerspruchslösung» über.
Bevölkerung ist positiv eingestellt
Diese Regelung gilt bereits in den meisten europäischen Ländern, und es zeigt sich, dass die Organspenderaten dort deutlich höher sind. Auch für die Schweiz ist dies der richtige Weg. Aus Umfragen ist nämlich bekannt, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüberstehen. Dies dokumentiert haben jedoch nur wenige; 2017 hatten nur rund 16 Prozent der Befragten eine Spenderkarte ausgefüllt. Man kann deshalb davon ausgehen, dass mit dem Systemwechsel auch in der Schweiz mehr Organe transplantiert werden könnten. Auch mit dem neuen Gesetz wird es keinen Automatismus geben. Ist im Falle des Todes eines Menschen sein Wille nicht bekannt, weil er diesen nicht dokumentiert hat, werden seine nächsten Angehörigen befragt, ob sie seinen Willen kennen. Sie können der Organentnahme widersprechen, wenn sie der Meinung sind, das dies dem Willen des Verstorbenen entsprochen hätte. Sind keine nächsten Angehörigen erreichbar, ist die Organspende unzulässig.
Sorgfältige Prüfung
Am Prozess der Organtransplantation ändert das neue Gesetz überhaupt nichts. Es gelten weiterhin die gleichen Regeln zum Beispiel in Bezug auf die Feststellung des Todes einer Person. Insbesondere müssen zwei Ärztinnen oder Ärzte, die nicht zum Transplantationsteam gehören, den Tod unabhängig voneinander feststellen. Dies erfolgt in einem Spital auf der Intensivstation. Die absurde Behauptung der Gegner des Gesetzes, Unfallopfern könnten noch auf der Unfallstelle – mithin auf der Strasse – nun sämtliche Organe entnommen werden, entbehrt somit jeglicher Grundlage. Hingegen ergibt sich durch die neue Regelung eine wesentliche Erleichterung für die Angehörigen eines Verstorbenen, dies zeigen Erfahrungen aus Ländern, in denen die Widerspruchsregelung gilt. Sie müssen in einer ohnehin sehr belastenden Situation nicht zusätzlich einen schwierigen Entscheid anstelle des Verstorbenen fällen. Vielmehr können sie davon ausgehen, dass er ihnen gegenüber die Ablehnung einer Organspende zu Lebzeiten geäussert hätte. Dass eine umfassende Information der Bevölkerung über das neue Konzept nötig ist, ist selbstverständlich und auch so vorgesehen. Das neue Transplantationsgesetz kann somit dazu beitragen, dass auch in der Schweiz mehr Organe gespendet werden und mehr Leben gerettet werden können. Und bedenken wir: Das Risiko, selbst auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein, ist sechsmal höher als selbst zum Spender zu werden. Deshalb sage ich mit Überzeugung Ja zum neuen Gesetz.
Regine Sauter, Nationalrätin ZH